8
113
listeng es etz es dnrcli die revolutionären Predigten der
„Roten“ nicht die geringste Einbuße erlitten. Im Ge
genteil: Die Zahl der Fideikommisse wurde fortgesetzt
vermehrt, die schutzzöllnerisehe Agrar- unld „Dum-
piüg“-Politik immer großartiger entwickelt und die
Stellung des adeligen preußischen Offiziers immer mehr
gefestigt. Auch die Sozialdemokratie mitsamt ihrem
wissenschaftlichen Theoriengebäude konnte also von
den Herren in Kauf genommen werden. Wie recht sie
mit der „Duldung“ dieser Revolutionstheorie hatten,
hat der 4. August 1914 glänzend bewiesen.
Welches Bild also erhalten wir, wenn wir die Ent
wicklung des Junkertums im Staate Preußen be
trachten 1 ?
Ganz allgemein muß zunächst festgestellt werden,
daß die „Junkers ihre Autorität“ nicht „ruiniert“ wor
den ist. Sie besitzen heute in Preußen noch so ziemlich
dieselbe Macht wie zu den Zeiten Friedrichs des Gro
ßen. Wenn sich die Machtvollkommenheiten auch der
Form nach geändert haben, so sind sie anderseits für
die politische Wirklichkeit nicht nur dieselben geblie
ben, sondern sie sind auch infolge der Reichsgründung
„mit preußischer Spitze“ seit vierzig Jahren auf ganz
Deutschland ausgedehnt worden.
Gewiß besteht heute in Preußen keine eigentliche
Patrimonialgerichtsbarkeit mehr. Mit Ausnahme der
Fideikommisse besitzt Preußen heute dieselben mo
dernen Rechtsformen und Normen des Eigentums unld
der Zeitpacht wie andere Kulturstaaten auch. Ferner
gibt es in Preußen seit dem Gesetz vom 13. Dezember
1872 eine einigermaßen moderne Kreisordnung. Aber
die geringfügigen Konzessionen, die die Herren an die
moderne Zeit machen mußten, haben nichts an der
Tatsache ändern können, daß die politische Macht der
Junker nach wie vor der ausschlaggebende Faktor
für Preußen-Deutschlands gesamte Politik gelblielben
ist.
Wilhelm II und die Junker.
Nach wie vor stützt sich das preußische König
tum nicht auf das preußische Volk als Ganzes, auch