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Frieden, wie schon der alte Kant erkannte, als er die
„republikanische Staats Verfassung 1 “ als Friedensartikel
postulierte und ganz ausdrücklich als Hauptkriterium
des Republikanismus, wie er ihn verstand, das Recht
des Volkes, über Krieg und Frieden zu entscheiden,
hinstellte.
Also hätte Kanonen-Heine recht gehabt?
Im Prinzip: ja!
In der Praxis: nein!
Wir haben in der jüngsten Zeit idie Probe aufs
Exempel machen können. Zwei und ein halbes Jahr
hat die deutsche Sozialdemokratie Kriegskredite über
Kriegskredite bewilligt, ohne daran zu denken, für die
so überreichlich bewilligten Kanonen Volksrechte zu
fordern. Erst die russische Revolution mußte kommen,
damit die deutschen Sozis die Bitte um Volksrechte
an ihre. Kanonenbewilligung hängten. Dazu, die Ka
nonen von den Volksrechten abhängig zu machen,
sind sie bis heute noch nicht gelangt. Ganz im Gegen
teil: statt neue Volksrechte zu erkämpfen, haben sie
alte Volksrechte mehr oder minder widerstandslos
preisgegeben: Preßfreiheit, Versammlungsfreiheit, Ver
einsrecht Streikrecht sind bekanntlich suspendiert
oder doch arg beschnitten, wenn auch nur „provi
sorisch“. Das „Provisorium“ dauert etwas reichlich
lange . . .
Die theoretische Heine-Formel: „Volksrechte für
Kanonen“ lautet also in der Praxis: Bewilligung der
Kanonen und Preisgabe der Volksrechte.
Wolf gang Heine ist ein zu kluger Mann, um nicht
die Konsequenzen zu überschauen, zu denen seine For
mulierung geführt hat.
Er möchte gern den Konsequenzen entgehen: nach
innen wie nach außen. Er möchte die Demokrati
sierung im Innern und den Verständigungsfrieden
nach der Sovjet-Formel: „Ohne Annexionen und ohne
Entschädigungen“ nach außen.
Denn Wolf gang Heine ist — wir lassen ihm die
Gerechtigkeit widerfahren — kein Sozialimperialist.
Er hat sich von den Gedankenverrenkungen eines
Paul Lensch, von dem Annexionsgetratsche eines