Volltext: Almanach der Freien Zeitung (1918)

der „Freiheitsdichter“ dieses Weltkrieges der Herois 
mus des Heldentodes über den der Arbeit und des 
Lebens triumphierte, so hat doch alle Kriegslyrik und 
alle politische Kriegsberichterstatterromantik den 
sittlichen Zusammenbruch nicht aufhalten können. 
Obgleich gewiß wenig Gefahr bestand, daß im 
deutschen Volke der Geist des universellen Humanis 
mus, von dem man früher in Deutschland recht viel 
gehalten, erwachte, griff man militärischerseits zu 
Vorsichtsmiaßregeln. Man verhängte über das gesamte 
Land den Belagerungszustand, und es dürfte eines der 
größten politischen Ereignisse dieses Weltkrieges 
bleiben, daß in wenigen Wochen die politischen Insti 
tutionen des Deutschen Reiches von 1914 sich ohne 
Störung einem Gesetz von 1851 anpaßten und unter- 
ordneten. 
Der Obrigkeitsstaat triumphierte auf der ganzen 
Linie. Die Degradierung des menschlichen Indivi 
duums war vollzogen, und man sollte nicht das Ver 
dienst derer um David, Ebert, Scheidemann*) ver 
kleinern, das sie sich um die Aufrichtung dieses 
immerhin eigenartigen „Zukunftsstaates“ erworben 
haben. 
Die Rückwirkungen des Krieges finden wir in 
Deutschland nicht in individuellen, sondern in Massen 
reflexionen. 
Wenn z. B. Herr Medizinalrat Dr. W. Fuchs in 
einem Flugblatt schreibt: 
„Erziehung zum Haß! Erziehung zur Hochachtung 
des Hasses! Organisation des Hasses! Fort mit der 
unreifen Scheu, mit der falschen Scham vor Brutalität 
und Fanatismus. Auch politisch gelte das Wort Mari- 
nettis: „Mehr Backpfeifen, weniger Küsse.“ Wir 
dürfen nicht zögern, blasphemisch zu verkünden: Uns 
ist gegeben der Glaube, Hoffnung und Haß! Aber der 
Haß ist der größte unter ihnen!“, 
so ist das leider nicht eine singuläre Erscheinung, 
sondern das literarische Elaborat der Weltanschauung 
einer bestimmten Gesellschaftsschicht.**) Man könnte. 
*) Mehrheitssozialisten. 
**) Der Alldeutschen Verbände. 
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