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ohne von der strafenden Gewalt des Staates ereilt zu
werden. Diese sittliche Errungenschaft haben wir uns
im bürgerlichen Leben erworben durch die Erfahrung
von Jahrhunderten, die uns lehrte, daß die Unmoral
des einzelnen Staatsbürgers das Gemeinwesen schädigt,
daß nur ein moralisches Verhalten der Bürger unter
einander einen Staat stützen und in der Welt vor
wärts bringen kann. Sollte nicht auch für die Staaten
gesellschaft endlich die Zeit gekommen sein, in ihren
auswärtigen Beziehungen die sittlichen Grundsätze
der bürgerlichen Gesellschaft anzuwenden? Sollte es
in Zukunft nicht als strafwürdiger, internationaler
Rechtsbruch gelten, wenn ein Staat, nur weil er die
größere Macht besitzt, einen schwächeren vergewaltigt
oder knechtet? Wie im bürgerlichen Leben die Moral
erfahrungsgemäß sich noch immer auf die Dauer als
beste Beraterin erwiesen hat, so würde auch ein Staat
aus einer moralischen auswärtigen Politik letzten
Endes im Völkerleben weit größeren Nutzen ziehen,
als wenn er um eines augenblicklichen Vorteiles wil
len die Bahn des Rechtes verläßt.
Manche meinen aber, daß es der Natur des Men
schen entspreche, sich gegenseitig zu bedrohen und zu
bekämpfen. Zur Begründung dieser Theorie, die den
Menschen mit- dem Tiere gleichstellt, wird Darwin ins
Treffen geführt. Sein „Kampf ums Leben“ soll die
Unmoral im politischen Leben rechtfertigen. Mit Un
recht! Darwin hat nur die Lebenskonkurrenz im Auge
gehabt als Mittel zu einer immer größeren Vervoll
kommnung. Den Ausdruck „Kampf ums Leben“ hat
er äußerst selten und höchst ungern gebraucht, gerade
weil er das Gewalttätige aus seiner Lehre verbannt
sehen wollte.
Wie sich aber auch der Sprung des Menschen aus
dem Tierzustande vollzogen haben mag — falls über
haupt ein solcher Sprung jemals stattfand —, eins ist
sicher: Das höchste lebende Wesen auf der Erde, der
Mensch, besitzt die Vernunft, eine Fähigkeit, welche
mit keiner Eigenschaft tierischer Lebewesen ver
glichen werden kann. Sie ist göttlicher Essenz. Sie
hat dem Menschen etwas geschenkt, das in der Tier