meister einer der Freien Städte nnd ein Präsident des
Elsaß oder Lothringens. Sodann müßte ein Reichs
gesetz bestimmen, daß niemals zwei aufeinanderfol
gende Kaiser dem gleichen Bundesstaate angehören
dürften. Anf diese Weise wäre kein Stamm und kein
(tau des Reiches vor dem andern bevorzugt, jedes
Glaubensbekenntnis möglicherweise vertreten, die Er
werbung einer gefährlichen Hausmacht durch einen
Bundesfürsten so gut wie ausgeschlossen. Abgesehen
von seinen wichtigen Rechten bei der Kaiserwahl wür
den dem Bundesrate nur folgende Befugnisse zu
stehen: 1. Dem Reichstage Gesetzesanträge zugehen zu
lassen; 2. als oberster Gerichtshof bei Streitigkeiten
unter seinen eigenen Mitgliedern (nicht aber unter
den Bundes Staaten) zu fungieren. Außerdem könnte
der Kaiser sich des Bundesrates als eines rein beraten
den Krön- oder Staatsrates bedienen.
Die gesetzgebende Gewalt im neuen Reiche müßte
völlig durch den Reichstag ausgeübt werden. In den
letzten Jahren hatte ein Reich von fast 70 Millionen
Einwohnern nur 397 Vertreter in seiner einzigen Kam
mer! Vor allen Dingen muß also für die Reichstags
wahlen eine völlig neue Grundlage geschaffen werden.
Ohne diese wäre der demokratische Kurs nichts als
eine platonische Reform. Im Jahre 1910 (1. Dezember)
zählte der Bundesstaat Hamburg zum Beispiel schon
beinahe das fünfzehnte Tausend über eine Million Ein
wohner. Diese hatten im Reichstag ganze — drei
Stimmen! Der Reichstag muß ferner die gesamte
Reichsregierung überwachen. Es muß ein dem Volke
verantwortliches Reichsministerium gebildet werden,
dessen Präsident immerhin Namen und Titel eines
Reichskanzlers führen mag. Der Kaiser muß verfas
sungsmäßig gehalten sein, bei Ernennung des Reichs
kanzlers und der Reichsminister mit den Führern der
im Reichstage vertretenen politischen Parteien in
Fühlung zu treten.
Bei der unbedingt notwendigen Reform der ge
samten Reichsverfassung ist der größte Wert darauf
zu legen, daß die bisher schier allmächtige militärische
Nebenregierung in Zukunft unmöglich werde. Sobald
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