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am Ende. Ein Lächeln besagt nichts und for 
dert zur Stellungnahme auf — es bleibt 
die beste Qeste eines gewandten Geschäfts 
manns. Das Lächeln setzt uns in eine pein- 
Ve riefen heit — mela%:holisch sind wir 
aufzunehmen. ^Margot lächelte und Billig 
wurde weich, so weich, daß er begann: 
„Gnädige Frau...“ 
Das war die frühere Geliebte des Dr. Cal- 
lius, eine Ausländerin aus dem Monico mit 
allen Allüren einer eleganten, internationalen 
Kokotte. Bei Kriegsausbruch heiratete sie, 
um allen Schwierigkeiten aus dem Wege zu 
gehen, den Elsässer Burmeester, der im 
Lederhandel mit außerordentlichem 1 Glück 
geschoben hatte. Nun war er in der Schweiz, 
wo er mit Frauen Tausende durchzubringen 
verstand — eine Type, die in der Geschichte 
der Zeit mit einem Stern figuriert. Häufig 
schickte er die Speisekarten vom Baur au 
Lac aus Zürich, von Huguenin, die Va 
rieteprogramme aus Genf und Lausanne. 
Margot nahm ihre Sprache mit einer Selbst 
verständlichkeit auf, die jede Widerrede aus 
zuschließen verstand. Hier gab es kein drit 
tes Kriegsjahr, vielmehr eine Jugend von 
neuer Eleganz, von Wohlleben, von Reich 
tum des Körpers und des Geistes. Die Gra 
naten, die die Schädel zerfetzen, sind die 
Gründer dieser Kultur. Sie sind zu loben. 
Sie bereichern die Buntheit. Burmeester trug 
einen spitzen Bürgerbauch, um den man 
eine Krawatte hätte binden können. Haar 
scharf entging er dem bekannten homeri 
schen Gelächter. Margot konnte nicht mit 
ihm ausgehen: da war noch ein blonder, 
sehr fader Schnurrbart, der eben aus dem 
Bierschaum getaucht zu sein schien, die In 
karnation aller Seelen sächsischer Schulmei 
ster. Der Mann gröhlte, wenn er erregt war, 
schwitzte bei Hitze in erschreckender Weise 
und hatte die peinliche Angewohnheit, sich 
mit einem Taschentuch den Hals abzutrock 
nen. Callius stand neben ihm als ein Jüng 
ling mit den ätherischen Allüren einer glän 
zenden Kinderstube. Seine Eleganz war aus 
gesucht, und er schwitzte auch nicht — er 
gehörte ein für allemal zu den Menschen, 
die sich das Schwitzen abgewöhnt haben. 
Callius besaß noch drei Zimmer mit einer 
unerhörten englischen Garderobe aus Frie 
denszeiten. Seine Hutsammlung lockte die 
erfahrensten Kenner an — er hatte einhun 
dertdreiundsechzig Stöcke, wie Ernest de la 
Jeunesse. Aber Margot lächelte über ihn. 
Sie behandelte ihn wie einen Lakaien, und 
er schien sich dabei wohlzufühlen. Sie war 
fast einen Kopf größer als der olle, senti 
mentale Dr. Billig, und handelte danach. Bil 
lig entsann sich einer Kokotte im Folies- 
Bergere, einer Riesenperson im weißen 
Atlaskleid, die bei schlechter Laune wie eine 
antike Domina die Männer mit nackten Ar 
men erdrücken konnte. Wenn Takahaschi 
sich ganzgausstrecktcyreichte eg ungefähr bis 
zu d e iuriän z£nÄ ve iße 1 d iüfteifr®)jöti,e r aus 
gmg S14I ®&^OBi^G#®,mia§^unver- 
sehends über die Gesichter der Erstaunten 
fiel und sie eine Zeitlang in einen außeror 
dentlichen Zustand der Erstarrung setzte. 
Margot lächelte. Billig sah die asiatische 
Linie dieses Lächelns, sah losgelöste, pri 
mitivste Instinkte, fand sich an Gefühle er 
innert, deren höchste Steigerung die Sensa 
tion des Mordes sei. „Wie außerordentlich 
lächerlich,“ sagte sich Billig, „wie trottel 
haft meinerseits.“ Takahaschi kam und bat 
um eine Zigarette. Er pfiff und schnarrte 
mit heller Stimme. 
„Wollen Sie noch Pferde sehen?“ fragte 
Margot. Billig nickte — es war ihm gleich 
gültig, wo er mit ihr hingehen durfte. Sie 
hatte den Vorzug, ihn an seine Reisen zu 
erinnern, ihm Geschichten ins Gedächtnis 
zurückzurufen, die er mit Sorgfalt als phan 
tastische Eskapaden in seiner Gehirnkam 
mer bewahrte. „Billig, mehr oder weniger 
Beamter — Billig, ein Bürger,“ sagte sich 
Billig. Er hatte mit geballten Fäusten auf 
seinem Bett gelegen, fast geweint im' Gedan 
ken an Angelina, die außerordentliche Ko 
kotte von Venedig. Er war ohne jeden eige 
nen Willen, ohne jede Wut, den Grenzen 
seiner Individualität nachzujagen. Er lebte 
die Tage zwischen Gespenstern hin. Da 
kam die Hochbusige aus Madrid: Yo Fadoro 
mio bondo. In Barcelona war ihm Margue- 
rite unter dem Arm erschossen worden, 
während er mit spitzem Löffel Sorbet aß. 
Ach — oder die Überfahrt nach Afrika in 
Erwartung der farbigen Hitze — an der 
Seite jener Mulattin, mit der sich aus vie 
len Gründen im Cafe de Dome nicht um 
gehen ließ. , Die verkrüppelten Pflanzen 
wuchsen ihm zwischen den Fingern durch 
aus dem öden Holzfußboden seines Zim 
mers, aus dem Toiletteeimer roch er den 
Sumpfgeruch der Mangrovewälder. Billig
	        
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