Heinrich Altherrs größte künstlerische Tugend liegt in der
vollkommenen Beherrschung des Andeutens, denn sie ist eine
malerische. Der Künstler sagte selbst gelegentlich: „Das Male-
rische ist die Kunst, das Geheimnis zu bewahren.“ Ein solches
Bekenntnis stammt von einem Menschen, der sich bei der Arbeit
vom Gefühl, vom Herzen leiten läßt und dem das Er-Fassen,
das Be-Greifen, die Erkenntnis in den Ruhestunden zuteil wird.
Hören wir, was Heinrich Wölfflin in seinem Vortrag „über die
kunsthistorische Verbildung‘““ aussagt:
«Das große Sehen, das Zusammennehmen der vielen Dinge zu einer ein-
« zigen ruhigen Anschauung hängt nicht ab von einer bestimmten Dar-
stellungsart, aber sinnfälliger als im linear-plastischen Stil wirkt es
doch im malerischen . . .»
Ferner:
«Mit dem Vernachlässigen der Formbestimmtheit im Einzelnen ist es
freilich nicht getan: die Undeutlichkeit muß derart sein, daß die
Täuschung entsteht, man brauchte nur näherzutreten, um alles genau
zu sehen. Wie selten diese deutliche Undeutlichkeit getroffen wird,
dafür bieten moderne Kunstausstellungen Beweise zur Genüge. Wenn
sie aber getroffen ist, so wird das noch lange nicht jedem Besucher
gleich einleuchten. Auch dazu muß das Auge erst herangebildet
werden.»
Ist es nicht, als ob diese Sätze in Altherrs Werkstatt geformt
worden wären? Die beiden Meister, Wölfflin und Altherr,
gingen denn auch gleich nach ihrer ersten Begegnung als Freunde
auseinander.
Darf in diesem Zusammenhang an einen einfachen Mann erin-
nert werden, der, hingerissen von der vollendeten Kunst der
Eleonora Duse, sie fragen ließ, womit sie die Zuschauer eigent-
lich packe: mit ihrem Herzen, mit ihrem Gehirn oder mit ihrem
Leide. Die Duse ließ ihm sagen: mit allen drei Dingen zu-
sammen. Eine Antwort, die Heinrich Altherr in jedem seiner
Bilder gibt. Hören wir aber auch, was er selbst in seinen „kunst-
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