konservativ, ebenso wie im Essen, im Trinken und in den Ver-
gnügungen, an denen er teilnahm. Es war das ein Zug, den er
mit den Engländern und vielen Schweizern seiner Gesell-
schaftsschicht teilte. Aber er hatte ein leicht verwundbares
Herz, und über dieses weiche, hilfsbereite und gütige Herz jagte
seit dem Tod seiner Frau ein Schrecken um den andern hin.
Gewiß: in den Fundamenten seiner Persönlichkeit blieb er
unangetastet der Edelmann, der er immer gewesen war. Unge-
brochen blieben die Vornehmheit der Gesinnung, der bedin-
gungslose Selbständigkeitswille, die unbestechliche Auffassung
von seinen Pflichten als Mensch und als Künstler, die er von
jeher verwirklicht hatte. Aber es hat ihn doch tief getroffen
und auch tief verängstigt, daß er zum zweitenmal den Aus-
bruch unbändig verbissenen Völkerhasses erleben mußte. Mit
heller Empörung hat er es aufgenommen, daß jene, die ihren
Völkern hätten Führer sein sollen, sich außerhalb aller Gesetze
stellten, und mit immer wieder neu ausbrechender Trauer hat
er mitangesehen, wie in dem Chaos der Meinungen, das sie
schufen, die Begriffe der Liberalität und der Humanität immer
stürmischer der Entwertung verfielen. Dies alles verschärfte
sein privates Leid, machte ihn ängstlich, wehrlos und nervös,
mitunter bis zur Hypochondrie. Schwermütige Schatten legten
sich um seine hohe, im Rücken nun schon leicht gebückte Ge-
stalt, sein Gesicht wurde mißtrauischer, dunkler, und tief ein-
gegraben traten unter den kranken Augen die Linien der Hilf-
losigkeit, der Schlaflosigkeit und des besorgten inneren Ein-
samwerdens hervor.
Als Hans Sturzenegger noch lebte, waren wir stolz darauf,
ihn zu besitzen. Jetzt, da er von uns gegangen ist, vor wenig
mehr als einem Jahr, ohne förmlich Abschied zu nehmen,
wissen wir, daß wir ihn nicht verloren haben. Denn er lebt
weiter in seinem Werk und in den Erinnerungen an ihn, die wir
besitzen. Die Erinnerungen werden langsam verblassen — wir
werden das nicht verhindern können. Sie werden zurücktreten
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