rührung als erstmalig und wirklich neu uns zu begegnen, bereits
fertig gefaßt und starr, eben geistig schon bewältigt, für uns erledigt,
erscheint. Die unmittelbare, eigene Beziehung wird für den neuen
Betrachter möglich mit der Auflockerung der Situation und der
Verbindung unter den Elementen, die für das Bild von Wesen und
Persönlichkeit des Künstlers uns zur Verfügung stehen; so daß sie neu
geprüft und geordnet werden können. Das wäre das Prinzip der
Wissenschaft, das als Wahrheit Gefundene so darzustellen, daß jeder
in der Lage ist, es auch aus eigener Kraft als wahr, und, nach dem,
was er selber mitbringt, auch in anderer Bedeutung, zu erkennen.
Der Künstler dringt durch sein Werk zu uns, wir suchen durch
sein Werk den Weg zu ihm. Sein Schaffen ist die Auseinandersetzung
seiner Innenwelt mit seiner Umwelt. Für unsere Bemühung um den
Künstler gewinnt auch diese, wenn sie sonst auch für uns nichts be-
deutet, Bedeutung. Aus Dingen, die für uns nur Kenntnisse sind,
kommt uns vielleicht Erkenntnis, aus Übersicht Einsicht.
Das Werk und die Gestalt von Courbet sind groß genug, daß wir
uns ihnen von innen und von außen her nähern dürfen. Ihm gilt für
seinen eigenen Gebrauch „savoir pour pouvoir‘; für uns vor dem
Künstler, mit zweifachem Umweg: wissen, um zu sehen; schauen,
um zu sehen; sehen, um zu leben.
Die drei französischen Bücher über Courbet, die, einander im stofflichen
und in der Verschiedenheit der Betrachtungsweise wertvoll ergänzend,
gemeinsam die Kenntnis von Werk und Leben des Meisters zuverlässig
vermitteln, sind von Georges Riat 1906. Theodore Duret 1918, Charles
Leger 1929. Riat ist grundlegend für die beiden neueren; Duret schlecht
illustriert, aber knapp im Umfang, würdig und überlegen geschrieben,
Leger gegenüber dem hingebungsvollen Ernst und der stofflichen Fülle
von Riat zwangloser, munter im Ton, reich an Einzelzügen.
Die nachfolgenden Ausführungen fußen im stofflichen hauptsächlich
auf diesen drei Büchern, die in den Ausführungen berührten Werke sind
dort fast alle reproduziert.
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