kirchlichen Heilsiehre, erhielt nochmals Anregung und Stärkung
als eine zweite, freiere Weltanschauung neben der kirchlichen. Für
die Dichtung und die bildende Kunst erschloß die antike Welt
den Schatz ihrer Sinnbilder, und ihre Götter und Heroen. treten
als heidnische Geschwister neben die ernsten Symbole des Mittel-
alters. Die Kirche selber sucht nach Klärung und Erneuerung;
einerseits in einer Bewegung, die der Welt wieder geben, was
ihres Wesens ist, wieder allein auf den Geist der Heilsbotschaft
sich besinnen will, Bilder ablehnt, den Glauben in den unsicht-
baren Gott allein setzt, priesterliche Macht über Menschen mit
Binden und Lösen, Freisprechen und Verdammen auf brüderliche
Spende von Trost und Ermahnung zurückführt; anderseits durch
Säuberung und Stärkung von innen her der unveränderten römi-
schen Kirche, die sich als die einzige und allumfassende christ-
liche Kirche betrachtet. So trennen sich in jenen Teilen Europas
und der Schweiz Kirche und Kunst, wo das neue Bekenntnis ange-
nommen wird, in der Form, die um 1520/25 Luther und Zwingli
oder um 1540 Calvin ihm gegeben haben.
Man mag den Vorgang als beklagenswerte Verarmung der Kunst
oder als glückliche Bereicherung des außerkirchlichen Lebens
sehen, auf alle Fälle wendet sich nun die Kunst noch stärker diesem
zu. In weiten Bereichen wird mit der Kirchentrennung die Kunst
„profan‘‘, und für die Schweiz, entsprechend ihrer politischen und
gesellschaftlichen Struktur, im Stoff, und von diesem her in der
Form, „bürgerlich“.
In der Ausstellung verengert mit dem dritten Jahrzehnt des 16.
Jahrhunderts der Chor der Heiligen sich auf wenige Gestalten,
die Kette der kirchlichen Tafelbilder bricht. Die Zeichnungen be-
reiten darauf schon früher vor mit vielfältigem, einfallreichem
Ersatz. Gesichter, Gestalten, Allegorien, ein Tier, Beisammensein
von Menschen, noch nicht die Landschaft, werden dargestellt.
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