204
Schaffensprozesses nicht freigelegt wird, solange bleiben alle Kombinationen über die Exotenkunst
harmlose Meinungen, ideologische Zynismen. Spieltrieb, Nachahmungstrieb sind bescheidene
Förderungsmittel für das Zustandekommen künstlerischer Betätigung. An Stelle der realistischen
Kausalauffassung der Vulgärpsychologie, die immer von dem hypothetisch klassischen Klischee-
Format des Europäers ausgeht, tritt die analytische Komplexforschung. Andre Gide sagt: »Kunst
ist stets das Resultat eines Zwangszustandes«, ein Wort, das alle Zeitstrecken überdauert. Es
führt mitten hinein in die Schidcsalsmächte der exotischen Kunst. Nicht Selbstcharakteristik schafft
hier das Werk, über allem steht das »große Geheimnis«, die übersinnliche Zauberkraft, das
mystische orenda der Irokesen, die unsichtbare Macht, die als mana in Melanesien Leben, Krankheit,
Tod und Teufel allgewaltig beherrscht, der Dämonen und Totengeistern dienen, gleich den Heiligen
der katholischen Kirche. Wie der Drang der ostasiatischen Kunst der Intuition tief entspringt, so
trifft man das gleiche Gefühlsmoment in den oft wundervoll hergestellten Masken der Indianer,
Westafrikaner und Ozeanier. Die Idole auf den Festplätzen der Geheimbünde — soweit nicht
christliche Missionare sie in ihrem Fanatismus zerstört haben — vermitteln den Schauer und die
Märchenhaftigkeit aller religiösen Abschattierungen des Daseins. Bis in das Ornament hinein
kann sich die Beseelung erstredcen.
Kaiserin Augus ta - Fluß , Neuguinea.
Holzgesctnitzte Giebelaufsätze. 1 /io nat. Gr.
Museum für Völkerkunde, München. Vergl.
Münchner Jahrb. d. bild. Kunst 1913, p. 329 ff.
Kaiserin Augusta-FIuß, Neuguinea. Bemalte Holz
schilde für Kriegsgebrauch. Vis nat. Gr. Museum für
Völkerkunde, München, Vergl. Münchner Jahrb. f. bild.
Kunst 1913, p. 330 ff.