Full text: Zweiter Jahrgang (2(1921))

Mentalität des Primitivismus vollkommen überein. Die verborgenen »mythologischen Phantasien« 
<nach C. G. Jung) wurzeln tief in unserer Hirnstruktur, das Erlebte der participation mystique, 
um eine Bezeichnung französischer Psychologen anzuwenden, aus dem Labyrinth des Unbewußten 
aufquellend, endet überwiegend in einem psychischen Exotismus, und wie außerordentlich positiv 
die schöpferischen Expansionen dieser Vorstellungen anschwellen können, offenbart eine hoch* 
entwickelte Künstlerpersönlichkeit wie Paul Klee. 
Die Originale der in dem Aufsatz zur Reproduktion gelangten Abbildungen befinden sidi im Linden* 
Museum für Völkerkunde zu Stuttgart. 
DAS TIER IN DER AFRIKANISCHEN PLASTIK 
Von ECKART v. SyDOW 
I. 
»Tier« — dies Wort ist hier wohl am Unrechten Platz, und doch müssen wir uns seiner be* 
dienen, um etwas zu bezeichnen, das einen so andersartigen Gehalt im Zusammenhänge uns 
fremder Kultur hat. Tier: das ist für uns etwas innerlich Entferntes, nur durch äußeren Zwang 
und langdauernde Gewöhnung mit uns Verbundenes draußen im seelenlosen Raume, — oder 
etwas fast ebenso Fremdgewordenes in uns, das uns mit sehr feindlichem Herrschaftsanspruch 
droht und ängstet. Nur durch den darwinistischen Gedanken hindurch binden wir uns an Tier* 
haftes. Aber wenn er auch einen wesenhaften Zusammenhang andeutet, so gilt ihm doch das 
Tier als überwundene und immer wieder zu überwindende Stufe, die eigentlich längst hinter uns 
liegt,- das »Gemeine« ist das Tierhafte. Ganz 
anders in der afrikanischen Primitivität! Die 
mystische Einheit der Wesensgleichheit 
durchfließt Mensch und Tier. Ja noch mehr: 
im Tiere lebt die stärkere und höhere Macht. 
Unkundig der sonderbaren Interpretation eines 
Cartesius, der im Tiere nur eine gut funktionier 
rende Maschine sah, beugt sich der Primitive vor 
den Tieren als vor Verkörperungen von Geistern 
und von Ahnen. Unfähig noch zur Trennung 
der Einzelmenschen von dem Blutsbande der 
Familie und Sippe schließt er sich häufig mit be* 
stimmter Tierart zusammen zu einer merkwürdigen 
Einheit, die menschliche und tierische Art bluts* 
brüderlich verbindet: im Totemismus, der wie 
eine Vorahnung neuzeitlichster Abstammungs* 
theorien anmutet. Aber auch die anderen Tiere 
außer dem besonderen Totemtier haben ihre be 
stimmte Bedeutsamkeit. Der menschliche Leichnam 
zerfällt in wimmelnde Maden,- so wird wohl in 
ihnen die menschliche Seele weiterleben?! Die 
Vögel fressen die Maden,- so trägt der Seelen* 
Vogel wohl die Seele zum Himmel?! Die bejahen* 
den Antworten liegen nur zu nahe für eine Mensch* 
heit, die auf Schritt und Tritt noch Überraschungen 
Bronze »Versdilußköpfe für Palmweinkrüge aus dem 
Kameruner Grasland <Bammu> 
Museum für Völkerkunde, Leipzig
	        
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