Von Gottes- und Menschenrechten.
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Wort von ihrem Gewissen immer wieder zur Benützung vor
geschoben wird. Unter sechs Männern des Exekutivkomitees
sind wenigstens vier Juden. Dagegen ist gewiß nichts ein
zuwenden; im Gegenteil, die Juden waren in Rußland allzulange
und allzu grausam unterdrückt. Aber abgesehen von der recht
lich indifferenten Ideologie, an der sie teilnehmen und ihrer pro
grammatisch materiellen Denkart, müßte es sonderbar zugehen,
wenn sich in diesen Männern, die über Enteignung und Terror
bestimmen, nicht alte Rassen-Ressentiments gegen das orthodoxe
und progromistische Rußland regen sollten.
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Vergleicht man die neue russische und die neue Weimarer
Verfassung, so kann man der ersteren wenigstens den stilistischen
Vorrang nicht versagen. Energisch und klar sind in der Sowjet
verfassung die staatlichen Verhältnisse aufgeteilt. Mit großer
Präzision ist alles Belangvolle und Kapitale nach seiner sach
lichen Rangfolge gegliedert. Stilistisch ist diese Verfassung ein
Meisterstück, und das ist es, was mich bedenken läßt, ob mein
vorstehendes Urteil nicht vollkommen ungerecht ist. Die der
zeitigen Inhaber der Exekutive sind nicht unsterblich; der Schlag
gegen die generationsweise selbstverständliche Macht des Geldes
aber bleibt bestehen. Andere Männer werden die ersten ablösen;
es wird ihnen kaum gelingen, den stattgehabten Umsturz,
der schließlich nur eine Liquidation der früheren Unordnung
war, aus dem Bewußtsein der Menschheit wieder zu löschen.
Das antikapitalistische Prinzip kann ausgebaut werden und
menschlichere Formen annehmen. Dieses Prinzip, mit welchen
Methoden immer es in Erscheinung trat, ist ein ungeheurer Schritt
in die Zukunft. Es ist eine Konsequenz nicht des Marxismus,
sondern der humanitären und Philanthropen sozialistischen An
fänge zwischen 1780 und 1850, einer tief christlichen Bewegung.