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professoralen Plattköpfen hatten Lobeshymnen singen
lassen und die sie jetzt schon mehr als eine Million Tote
kostete, während die Blockade ihren Kindern und Kindes
kindern die Hälse abwürgte. Es war in Deutschland
jene Stimmung, die immer einem sogenannten idealis
tischen Aufschwung, einem Turnvater-Jahn-Exzeß, einer
Schenkendorfperiode vorauszugehen pflegt. Nun kamen
die Expressionisten, wie jene sagenhaft berühmten prak
tischen Ärzte, bei denen „alles immer wieder gut“ wird,
mit dem Augenaufschlag einer sanften Muse, wiesen auf
„die Schätze unserer reichen Literatur“, zogen die Leute
sanft am Ärmel und führten sie in das Halbdunkel der
gotischen Dome, wo man den Straßenlärm nur noch
wie ein fernes Gemurmel hört und nach dem bekannten
Grundsatz, daß die Katzen im Dunkel ohne Unterschied
grau sind, alle Menschen gute Kerle sein müssen. Der
Mensch ist eben gut. Der Expressionismus, der den
Deutschen so viele willkommene Wahrheiten brachte,
war demnach durchaus eine „nationale Tat“, ln der
Kunst wollte er Abkehr von jeder Gegenständlichkeit,
Verinnerlichung, Abstraktion, ln meinem Kopf haften,
wenn der Name Expressionismus fällt, vor anderen die
drei Namen Däubler, Edschmid und Hitler. Der erste
Däubler als Gigantosauras der expressionistischen Lyrik,
Edschmid als Prosaiker und Prototyp eines expressio
nistischen Menschen und Kurt Hiller, der mit seinem
Meliorismus, gewollt oder ungewollt, als Theoretiker der
expressionistischen Epoche aufgetreten ist.
Aus allen diesen Erkenntnissen heraus, aus der psycho
logischen Einsicht, daß eine Abkehr von den gegen
ständlichen Dingen zu gleicher Zeit alle jene Komplexe
von Müdigkeit und Feigheit in sich schloß, die einer
verrotteten Bourgeoisie genehm sind, unter dem Ein
druck der „Aktion“, wie sie uns von unserem Eintreten
für die Prinzipien des Bruitismus, der Simultaneität und
die Verwendung des neuen Materials überliefert war,
richteten wir uns in Deutschland sogleich mit aller Schärfe