as Wort „Organisation" stand schon in Friedenszeiten hoch
'bei uns in Ehren. Man nahm es als Bezeichnung für
eine ausgesprochen deutsche Fähigkeit. Seit dem Aus
bruch des Rrieges ist dann das Wort in vervielfachter
Häufigkeit gebraucht worden. „Deutsch sein" und „orga
nisieren können" wurde und wird geradezu als dasselbe
ausgegeben. Der Deutsche erscheint heute als der „ge
borene Organisator" und in tausend Abwandlungen wird
geschildert, wie unsere besten Erfolge in der Welt auf das deutsche Talent
der Organisation zurückgehen. Nicht uns allein ist diese Gedankenverbindung:
„deutsch-organisatorisch" geläufig. In Studien und Reisetagebüchern auslän
discher Beobachter kehrt ewig der Reim wieder: Deutschland das Land der
Organisation! Haldane in seiner Arbeit „vniversities aaä blational Life 4 ,
JÖJO nennt das Deutschland des IS. Jahrhunderts „das vielleicht bemerkens
werteste Beispiel der Organisation". Zusammenfassend aber zitiere ich aus
einem Aufsatze im „Berliner Tageblatte", betitelt „wirtschaftliche Rriegs-
wirkungen", folgende Sätze: „was war denn, wirtschaftlich gesehen, das Große
an diesem Rriege? Das Schlagwort dafür ist bald gefunden. Es lautet:
Organisation! wohin wären wir gekommen, wenn wir nicht gelernt hätten,
uns anzupassen, und wie hätte sich die Anpassung an die gänzlich veränderten
Verhältnisse des Rrieges ermöglichen lassen, wenn nicht die zerstreuten Rräfte
organisch zusammengefaßt worden wären?"
Alle diese Beobachtungen sind unzweifelhaft richtig. Aber warum eigentlich
beschränken wir uns bei der Freude an unserem Organisationstalent immer
auf die praktischen Angelegenheiten der Volkswirtschaft, der Mobilmachung,
der Lebensmittelversorgung, der Umstellung unserer Industrie auf neue Absatz
gebiete? Damit nehmen wir den Begriff der Organisation zu engl „Organi
sation" spielt eine entscheidende Rolle auch im Geistesleben, was gibt etwa
Burckhardts kunsthistorischen Schriften ihre sichere Ueberlegenheit? Des Schrift
stellers Ehrgeiz und feine Begabung, den nämlichen Stoff, den ein anderer
gleichgültig zusammenstellt, zu gliedern, ihm wurzeln, Stamm und Aeste zu
geben ... ihn zu organisieren? Jede hervorragende Leistung eines Denkers
und Forschers ist ein Erfolg der geistigen Organisation, unabhängig selbst
verständlich von der Zugehörigkeit zu dieser oder jener Nation. Aber weil mau
den Deutschen im praktischen eine besondere Fähigkeit zur Organisation
scheinbar neidlos zuerkennt, muß es von Interesse sein, zu untersuchen, wie es
um seine Organisationsfähigkeit im Geistigen steht.
Da ist zunächst von einer allgemeinen Anerkennung solcher Fähigkeit keine
Rede. Im Gegenteil! So fest für alle Beurteiler unserer Rultur die Tatsache
steht, daß der deutsche Eisenbahnverkehr sich in vollkommenster Pünktlichkeit,
Rlarheit und Uebersichtlichkeit abspielt — noch fester steht für sie die andere
Tatsache, daß die Bücher deutscher Gelehrter unklar und unübersichtlich sind.