Volltext: Jahresbericht 1968 (1968)

entstandenen Versionen der Stadtbilder vollends deutlich wird. Während 
die breiten liegenden Stengel ein Merkmal der Flugzeugfallen überneh- 
men, beginnt sich hier ein bedrohliches, gefräßiges Leben zu regen. Zu 
einem eigentlichen, beängstigenden Vegetationsfest steigert sich diese 
sinnliche Üppigkeit in dem gleichzeitig entstandenen Bild «Die Lust am 
Leben! », das scheinbar wissenschaftlich genaues botanisches Zeichnen 
— die wissenschaftliche Buchillustration hat der Künstler höchst virtuos 
zu nützen und zu verfremden gewußt, wie der 1934 entstandene Collage- 
roman « Une semaine de bonte » beweist!® — mit einer überbordenden Phan- 
tastiık vereinigt, die Insekten-, Menschen- und Pflanzenformen zu einem 
unentwirrbaren Ganzen fügt. In diesem Zusammenhang muß auch an das 
ursprünglich für das Corso-Restaurant gemalte, 1965 durch das Kunsthaus 
erworbene Wandbild « Unter Staubgefäßen » (1934) erinnert werden, das 
auf den gleichen Elementen aufgebaut ist, das jedoch — dem wenig frühe- 
ren Entstehungsdatum entsprechend — gänzlich auf eine schwingend- 
gespannte Transparenz hin angelegt ist. Die Bilder aus der Zeit von « Die 
Lust am Leben» bilden den Höhepunkt der animalisch-botanischen Le- 
bensekstase. Ein Blick auf die nachfolgenden Gemälde zeigt an, daß die 
Vegetationswut den höchsten Reifegrad überschritten hat. Endpunkt und 
Zusammenfassung erreicht die Entwicklung mit der großen zweiten Fas- 
sung des Themas «L’Europe apres la pluie!?». Lebenslust hat sich in 
Lebensüberdruß gewandelt, Reife in Verwelken, ja Verwesen, gefräßige 
Gier in Fäulnis. Diese Phantasmagorie der sich selbst vernichtenden Sinn- 
lichkeit, diese unendlich schmerzliche Vision endzeitlicher Degeneration 
konnte nicht übertroffen werden. Eine Neuorientierung in der Malerei 
von Max Ernst mußte kommen. Tatsächlich wurde im Laufe der früheren 
vierziger Jahre der veristisch-surrealistische Stil aufgegeben zugunsten 
neuartiger Formerfahrungen, die sich für die Zukunft als äußerst frucht- 
bar erwiesen haben. Bereits die erste Komposition «L’Europe apres la 
pluie1® » war in einer zähflüssig pastosen Art gemalt, die Charakteristika
	        
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