Amiets Pont-Aven-Erlebnis. Nach dem Tode von
Giovanni Segantini 1899 wandte sich Giaco-
metti von Segantinis Malweise ab, die dieser mit
folgenden Worten beschrieben hat: «Ich benutze
dünne, möglichst lange Pinsel, und ich beginne auf
meiner Leinwand loszuarbeiten mit feinen dünnen
und pastosen Pinselstrichen, indem ich stets
zwischen jedem Pinselstrich einen Zwischenraum
'asse, den Ich mit den Komplementärfarben aus-
fülle, und zwar möglichst, wenn die Grundfarbe
noch frisch ist, damit das Gemälde zerflossener
wirkt. Das Mischen der Farben auf der Palette
führt dem Dunklen entgegen; je reiner die Farben
sind, die wir auf die Leinwand bringen, um so
vesser führen wir unser Gemälde dem Licht, der
Luft und der Wirklichkeit entgegen.» Nun ist frei-
lich Segantinis Technik vom Pointillismus der
Franzosen zwar zu unterscheiden, aber dennoch
nicht völlig unberührt. Auch wenn in den folgenden
Jahren Segantinis feine Stricheltechnik in Giaco-
nettis Werk nicht wiederkehrt, so ist doch zu
sagen, dass die Begegnung mit dem zehn Jahre
älteren Maler den jüngeren hat reifen und zu sich
selbst finden lassen. Giacometti blieb sich und
seiner engeren Umgebung treu.
seiner Auseinandersetzung mit diesen Gestaltungs-
mitteln zu betrachten, das bei Giacometti immer
ain Mittel ist, Farbe und Licht in ihrer Intensität zu
steigern. Die stark vereinfachten Formen, die den
Bildaufbau mehr andeuten denn bestimmen, wirken
wie aufgelöst in einem dichten Farbflimmern. Wie
kaum in einem andern Werk des Künstlers ist in
vergleichbarem Masse die Farbe zum Träger des
Lichts geworden; nicht der Gegensatz von hell-
dunkel bestimmt den Eindruck dieses Werkes, son-
dern Giovanni Giacomettis Fähigkeit, selbst
beschattete Partien zu leuchtender Farbigkeit
werden zu lassen.
Fellıx Baumann
Jer äussere Rahmen festigte sich durch die Grün-
dung einer eigenen Familie, 1905 erwarb er ein
Yaus in Stampa, 1908 folgte ein Sommerhaus in
Maloja. Der gleichzeitige künstlerische Werdegang
wird durch das Experimentieren in verschiedenster
dinsicht geprägt. 1902 entstand das erste Bild in
Dointillistischer Malweise «Nova neva» (Kunsthaus.
Aarau). 1907 jedoch fuhren Amiet und Giacometti
zusammen an die C6ezanne-Ausstellung nach Paris
und kopierten im gleichen Jahre auf der Oschwand
van Goghs Bild «Les deux enfants», das ihnen der
Zürcher Sammler Richard Kisling für diesen Zweck
für einige Zeit ausgeliehen hat. Das Bild «Winter
n Maloja» von 1910 steht am Ende von Giovanni
Giacomettis Auseinandersetzung mit dem Poin-
tillismus. Es ist gewissermassen als eine Summe
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