Volltext: Jahresbericht 1997 (1997)

ZUR «VEN US» 
VON CARL BURCKHARDT 
Der Basler Kunstverein hatte auf Februar 1910 eine Aus- 
stellung für «Jüngere Basler Künstler» im Programm. 
Hier wollte der 32jährige Maler und Bildhauer Carl 
Burckhardt seine Marmor-«Venus», Frucht fünfjähriger 
intensiver Arbeit, erstmals der Öffentlichkeit vorstellen. 
Er setzte seine ganze Hoffnung in den Erfolg und den 
Verkauf des Werkes - hatte er sich doch physisch wie 
materiell bis zum Äussersten dafür ausgegeben. Mit 
diesem seinem ersten vollendeten monumentalen Bild- 
werk musste auch eine alte Scharte ausgewetzt werden, 
die ihm schwer zu schaffen machte. Das Misslingen 
seines ersten grossen plastischen Projektes, der Doppel- 
gruppe «Zeus und Eros», belastete ihn sehr. Der in Mün- 
chen an der Knirr-Schule zum Zeichner und Maler aus- 
gebildete junge Burckhardt hatte sich bei seinem ersten 
Rom-Aufenthalt 1899-1900 eifrig dem Aktstudium nach 
guten Modellen zugewandt. So sehr ihn die römische 
Landschaft fesselte, so eindeutig zog es ihn nun zur 
menschlichen Figur, die sich als dreidimensionale Ge- 
stalt im Raum behaupten sollte. Während eines kurzen 
Aufenthaltes in Basel begann er mit dem Modellieren 
von Büsten und plante bereits auch eine Marmorarbeit. 
Davon hat sich nichts erhalten. 
Der zweite Rom-Aufenthalt 1901-1904 weckte nun in 
Carl Burckhardt den folgenschweren Entschluss, Zeich- 
nen und Malen als Vorbereitungs- und Entspannungs- 
arbeit zu Gunsten eines grossen plastischen Werkes 
zurückzustellen. Eine fast wahnwitzige Unternehmung 
für einen völligen Autodidakten als Bildhauer — aber 
Burckhardt war von Kindheit auf voll unzähmbarer 
Unternehmungslust und wusste sich auch meist weiter- 
zuhelfen. Er plante eine monumentale Doppelgruppe 
«Zeus und Amor» — Apuleius stand dem Thema zu Ge- 
vatter — der Amor-Jüngling kniend vor dem Sitz des 
thronenden Zeus, einer kräftigen Männergestalt. Die 
beiden Akte erforderten endloses Modellstudium. 
Burckhardt ging als Anfänger, der mit vielfältigen techni- 
schen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, an sein gewal- 
tiges Projekt. Finanziell stand es um ihn - wie übrigens 
Zeit seines Lebens - schlecht. Der Mutter, Tochter des 
Zürcher Grossmünsterpfarrers Hess, blieb nach dem 
frühen Tod ihres Gatten, des Baslers Abel Burckhardt, 
mit dem sie im Pfarrhaus von Lindau eine grosse Kin- 
derschar aufgezogen hatte, nichts anderes übrig, als in 
das ihr fremde Basel zu ziehen, wo die Burckhardtsche 
Familien-Stiftung weiterhalf. Sie tat, was sie konnte für 
ıhren Künstlersohn: Sie unterstützte die notwendigen 
Auslandaufenthalte und erlebte die Genugtuung, dass 
der Architekt Karl Moser für die Pauluskirche, ihrer 
Gemeindekirche, Carl Burckhardt ein Portalrelief in 
Auftrag gab. Jetzt aber begriff niemand, warum Carl aus 
Rom nicht endlich ein ausstellungswürdiges, «fertiges» 
Werk nach Basel sandte, das endlich auch etwas ein- 
getragen hätte. Niemand ahnte, wie der Fünfundzwanzig- 
jährige um die Reinheit und das Zusammenklingen sei- 
ner Formensprache kämpfte. Der jüngste Bruder Paul, 
vom Architekten zum Maler geworden, reiste schliess- 
lich als Abgesandter nach Rom und erreichte, dass 1902 
wenigstens der Kopf des «Amor» gegossen und nach 
Basel geschickt wurde. Unter dem Titel «Jünglingskopf» 
hatte er in einer Ausstellung der Basler Kunsthalle sofort 
Erfolg und wurde von einem Privatmann angekauft. 
Carl Burckhardt mag das gefreut haben — aber ewig un- 
befriedigt und selbstkritisch bis aufs Äusserste arbeitete 
der Künstler unentwegt weiter an seiner grossen Doppel- 
gruppe. Schliesslich musste 1904 aus finanziellen Grün- 
den das Atelier in Rom geräumt werden. Die Figur des 
«Amor» zerfiel, der «Zeus» konnte noch als Wachsguss 
‚estgehalten und in einem Keller geborgen werden. Nach 
dem Tod des Künstlers wurde sie nach Basel transpor- 
dert und auf Anregung von Georg Schmidt in Bronze 
gegossen und im Museum aufgestellt. Das Konzept 
der ganzen Gruppe kennen wir nur aus einer Atelier- 
Aufnahme. Burckhardt war als Bildhauer in den Augen 
vieler gestrandet und hatte Familie und Freunde schwer 
anttäuscht.
	        
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