Volltext: Neue Jugend (1-5;7-11/12)

AN EINEN BURSCHENSCHAFTER. 
VEREHRTER KOMMILITONE1 In den beiden Mai-Heften der »Burschenschaftlichen Blätter« er 
örtern Sie anläßlich einer kritischen Besprechung der »Wartenden Hochschule« die Frage: Wie ist 
eine neue studentische Gemeinsamkeit auf dem Fundament des Geistigen als absoluten Wertes 
und der sozialen Verpflichtung möglich? Ihr schöner Ausruf: »Fort mit trennendem konventionellen 
Formelkram! Fort mit allem, was der Rechtfertigung aus dem Geiste entbehrt!« umschreibe auch die 
Grundstimmung meiner Antwort, zu der ich mich herzlich gedrängt fühle und deren Abdruck in 
dem Organ der Deutschen Burschenschaft mich wie eine frohe Gewähr für die Ernsthaftigkeit jener 
Forderung berührt. 
Es sei zunächst, um unsere Aussprache deutlich genug aus dem Bereich bloß taktischer und prak 
tischer Verhandlungen herauszuheben, dies an den Anfang gestellt: Wenn Sie als Burschenschafter 
sich mit fieistudentischen Erlebnissen und Erfordernissen auseinandersetzen, und wenn ich als 
Freistudent zu einer burschenschaftlichen Öffentlichkeit sprechen darf, so ist dies ebensowenig ein 
Zeichen irgendwelcher gut gemeinten Burgfriedlichkeit, wie es etwa unsere freistudentischen Be 
mühungen um das Gedächtnis Ludolf Wienbargs und der Urburschenschaft sind. Vielmehr wäre 
im Gegenteil jeder aufrichtige gedankliche Streit zwischen uns eher ein Zeichen einer gemeinsamen 
Teilnahme und inneren Verwandtschaft, als jenes Kirchhofsschweigen, das zwischen unsern Gruppen 
bisher meist waltete. 
In freistudentischen Traditionen aufgewachsen, gelangte ich, je mehr mir die geistige Aufgabe 
der Hochschule zum grundlegenden Erlebnis einer studentischen Gemeinschaft wurde, zu immer 
schärferer Kritik des Vorgefundenen Freistudententums bis zu dem Grade, daß mir von offiziellen 
Vertretern unseres Verbandes das Recht, mich »Freistudent« zu nennen, abgesprochen wurde. Ganz 
ähnlich, wie Sie davon reden, daß die Deutsche Burschenschaft, wie eine jede Korporation alten 
Schlages, einer Neuorientierung bedürfe und vor einer Entscheidung stehe, — so fordere ich un 
sere Abkehr von einer Freien Studentenschaft des üblichen gewerkschaftlichen Typus, eine Hin 
wendung zu jenem Bilde einer studentischen Gemeinschaft, welche die Arbeit ihrer Glieder auf 
baut auf der gemeinsam gesetzten, freiwillig anerkannten Idee der Universität, wie sie uns Fichte 
erschlossen hat und deren schöpferische Kraft in der religiösen Gebundenheit von Geist und Tat, 
Erkenntnis und Erfüllung, Wahrheit und Verwirklichung, Akademie und Staat verbürgt ist. 
Nunmehr gestatten Sie mir, auf eine merkwürdige und sehr fruchtbar zu verwertende Tatsache 
aufmerksem zu machen, — übrigens mit dem Vorbehalt, daß ich sie hier nur ganz abgekürzt und 
deshalb ein wenig vergröbert vortragen muß. Es besteht in unsern Bemühungen nämlich eine 
Analogie derart, daß Sie — inhaltlich — besonders auf die Ideen der freideutschen Jugend und 
einer reinen Jugendkultur hinweisen, an welchen teilzunehmen Ihnen eine entscheidende Lebens 
frage der Deutschen Burschenschaft erscheint/ ferner, daß Sie — formal — eine Einigung der Gei 
stigen in der Studentenschaft nur in losem Bunde, offener Umfassung gewährt sehen, hiermit aus 
dem ausschließlich Korporativen herausdrängen in eine größere Weite, und so in Ihrem Streben 
nach einer studentischen Gemeinsamkeit, einer lebendigen Einheit, dem urburschenschaftlichen 
und freistudentischen Ideal einer wahrhaften civitas academica eng verwandt sind. Auf der andern 
Seite steht jener Kreis von Freistudenten, der sich zum Teil aus der Freideutschen Jugend her 
leitet und welchem »Jugendkultur« das Zeichen eines ganzen, innig erlebten Gedankenkreises be 
deutet. Diese jungen Freistudenten, von ihren Altmitgliedern vielfach wie Abtrünnige behan 
delt, dennoch stetig wachsend, suchen sich in einen lebhaften geistigen Zusammenhang zur alten 
Burschenschaft und ihren großen Lehrern zu stellen, und gehen im Formalen den Weg von der 
vielfach nur illusionären, in Wahrheit höchst zerfallenen civitas zurück zum Korporativen, zur 
Herauslösung aus der Masse, zur fraternitas, — wie das besonders kräftig in Erich Mohrs Arbeit 
»Von der studentischen Gemeinschaft«, ferner auch in meiner Zeichnung einer Jugendgemeinschaft 
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