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Sonnet
von Jean-Jacques.
Wir fühlen oft zu grelle Farben
In allen Dingen, welche sind,
Als wäre alles in uns wieder Kind:
Wie heiße Wünsche, welche starben,
Wie Frauen, die wir einst umwarben,
— Ihr Name ist ein Blumenwind —
Wie Tage, welche Feste sind,
Wie weite Felder voller Garben.
Es heben dann die weißen Hände
Die Blumen, die im Abend stehen,
Es fallen dann die letzten Wände,
Die nur die Trauer sind, als fände
Der Wille einen Weg zum Gehen:
Wir denken lächelnd an das Ende.
Dämmerung.
Der Regen fiel. Er fiel in langen lotrechten Strichen
und spann um die Staat ein dichtes graues Netz. Er rauschte
wie ein unterirdischer Strom, eintönig und andauernd. Es
hörte sich an wie eine sonderbare, traurige Melodie, die
gar kein Ende nahm.
Der Gedanke daran war beklemmend, peinigend, atem
beraubend !
Im Hause duftete es nach Kränzen, geweihtem Qualm
und niedergebrannten Kerzen: soeben hatte man jemanden
hinausgetragen, in einem hübschen hellgrauen Sarg, auf
den der Regen wie gegen einen leeren Raum trommelte.
Man hätte meinen können, er wollte die Leidtragenden ver
höhnen.
Die Tote war ein junges Mädchen. Ich hatte sie nie
gesehen; aber ihre Stimme war mir wohlbekannt. Sie war
zart und schwebend und hatte den Wohllaut des Windes,
wenn er über blühende Lupinenwiesen fliegt. Ich hörte
mit geschlossenen Augen zu, wenn sie unten sang: alte fran
zösische Liebeslieder, traurig und süß.
Ihre Mutter sah ich mehrmals: eine schöne weißhaarige
Dame in schwarzer Seide.
Als man den blumenüberschwankten Sarg aus der Tür
hob, hatte ich sie Vergebens unter den Leidtragenden ge-