Gebíete als gescheífert. ích empfinde solche Archítektur (z. B.
römisch - renaissance, Jesuitenstil, Dóm S. Marco usw.) als
Kitsch, als Versuche mit unzulanglichen Mitteln, die nur auf
banaler Oberflache dér Sinnliehkeit stecken blieben. Architek-
tonische Formengebung ist nicht geeignet zum Ausdruck des
Sinnlichen. Das kann Plastik und Maierei besser. lhnen soll
sie es überlassen. Priift mán genauer die Sinnliehkeit z. B. des
Barock oder des Rokoko, so findet mán, dafi es auch hier
(Kaisersaal SchloB Würzburg oder Klosterkirche Ottobeuren)
die Plastik und die Maierei (die Farbe), die Trager des
Sinnlichen sind, dafi aber auch in diesen Falién Plastik und
Maierei im Zusammenwirken mit Archítektur auf dem Gebiet
des Sinnlichen nur dekoratív auf dér Oberflache des Prunkenden
bleibende Eindriicke von Freúderauschzustanden hervorrufen, die
auch nicht entfernt an die die Seele aufreifiende und erfüllende
Tiefe dér vergeistigten Sinnliehkeit einer friih-christlichen,
romanischen oder gothischen Kirche heranreichen. (Appolinare
san classe, San Vitale, Reichenau, Marienkirche Krakau, Dóm
zu Nauenburg). Lie starke Kraft dér Sinnliehkeit in dér Farbe
dér Glasfenster dér mittelalterlichen Kirchen, dér Mosaiken, dér
byzantintech-frühchristlichen Maierei und Plastik, dér ranemischen
und gothischen, auch dér agyptischen Tempel und dér Pyramiden,
die höchsten geistig-sinnlichen Wirkungen — und auf die kommt
es an sind auch auf dem Gebiet dér Maierei und Plastik
nur da geschaffen worden, wo zugleich diese Trennung in dér
Archítektur durchgeführt wurde (obengenannte Zeichen und
Bauten, Agypten, frühchristliche Zeit, Mittelalter), und wir stehen
jetzt wieder vor solch einer Zeit. Die Jahrhunderthalle soll sich
einreihen in die Bauten, die darin voranmarschieren. Hierdachte
ieh mir den starksten sinnlichen Ausdruck in die Farbigkeit und
Linienführung dér Glasfenster in farbiger Plastik dér Zwickel
und farbige Behandlung dér Decken usw. gelegt, um dann Vor-
bereitung und Rahmen für die die höchsten geistig-sinnlichen
Wirkungen im Menschen hervorzurufende KunstderTöne und dér
Sprache, dér Musik und Dichtkunst, zu werden. Sind auf diesen
Gebieten menschlich künstlerischen Ausdrucksvermögens nicht
viel reichere, tiefere Entfallungsmöglichkeiten des Sinnlichen?
Warum soll da die Archítektur et-was mitzumachen versuchen, das
im Verhaltnis zu den anderen Künsten nur ein Pfuschen sein soll.
Ihr sind doch andere wunderbar geistige Möglichkeiten gegeben,
die nicht auf dem Gebiet des Sinnlichen Hegen, aber auch das
Empfindungsleben zutiefst beriihren, die göttlich geistigen Ur-
sprungs sind, da aus dem Kosmischen Kjrafte dér Wahrheit und
Liebe iströmen.
Für mich ist in dér Archítektur die Erfüllung des Zweckes
oib Kult oder Bedürfnis von unantastbarer Heiligkeit. Deswegen
wurde mir Licht bei den meisten Bauten zum gestaltenden
Prinzip. Nach dem Zweck hat sich die Raumgestaltung zu voJi-
ziehen. Im Mannigfaltigen dieser hat sich die Eríindung zu
zeigen, nicht im Formalen. Das Formale hat sich als Emp fin-
dung tragenden Ausdruck aus dem tektonisch-konstruktiv Ge-
fundenen zu entwickeln, ohne daruit sagen zu wolíen, daB es
nicht auch rückwirkend dieses gestalten kann! Hat es sogar zu
tun. Aber nicht die E r findung, sondern die E mi p findung ist
bei dieser Gestaltung die Leitende. Erst das macht das Werk
zum Kunstwerk. Aber in unserer Zeit des Selbstzweckformalis-
mus, dér Originalitatssucht im Formalen ist gröBere Strenge und
Zurückhaltung erforderlich als zu Zeiten dér strengen Scheidung,
die den geistigen Gehalt dér Welt als das Wesentliche und
eigentliche Erkennen und Betonén, und dann auch von selbst
ausdrücken. Deswegen soll te n wir uns heute lieber zu viel dem
Ingenieur zuneigen, da wir doch' zu viel am Tapezierer kleben.
Abhauen i n uns sollen wir allé „Verzierungen“, allén kaleidos-
kopartigen, kunstgewerblichen Kleinkram.
Dies Erkennen gehört für mich auch dem Licht, das die
Welt zu durchfluten hat. Licht ist Erkennen dér Wahrheit, ist
Weisheit. Und nun komimé ich zu dem Wichtigsten: zum
Religiösen.
Alles ÁuBere hat für mich nur Ausdruck des Innern zu
sein, hat nicht Selbstberechtigung an sich. Ich sehe das Gött-
liche (das Gute) im Zusammenhángeii, Zusammenwirken (einer
für die anderen) dér Welt in Liebe nach einem Plán dér Weis
heit und Wahrheit, das Luziferische, Teuflische (das Bőse) im
Selbstgottwerdenwollen, im Aufsichalleinstellenwollen, für sich
und das erweiterte Ich die Fainilie alléin arbeiten und wirken
wollen, weil es dem göttlichen Gesetz dér Liebe widerspricht.
Ich sehe in Gott, nach dér Lehre des groBen Mystikers Svenden-
hurg, die Vereinigung von Wahrheit und Lieibe; aber die Liebe
ist das GröBere. Ich sehe in Jesus Christus das Höchste Menscn-
Fleisch gewordene Prinzip dér Vereinigung von Liebe und Wahr
heit, von Gott. Im Erkennen und Durchdringen dér ganzen sinn
lichen Welt durch Wahrheit und Liebe sehe ich das Ziel dér
Vergeistigung des Menschen, dér Welt, die Auferstehung des
iFleisches. Die sinnliche Welt nicht als Selbstzweck, sondern be-
herrscht und durchdrungen vöm Geistigen (Liebe und Wahrheit)
erhebt auch die Genüsse des Fleisches in Wonnespharen, von
dérén Schönheit und Lusthöhe die Vergötterer dér Sinnenwelt
des Ichs keine Ahnung habén. Darüber lieBe sich noch unendlich
viel sagen.
Ich sehe alsó nicht in einer Abwendung von dér Sinnen
welt (Askese) geistige Entwicklung; im Gegenteil, ich sehe
darin Enígeistigung dér Seele, Krankhaftes, sondern ich sehe aas
Gesunde in dér Indienststellung dér Sinnenwelt;, in das Geistige.
in dér Durchdringung dér Sinnenwelt durch das Geistige, den
Weg zu Gott. Das Sehnen und Suchen nach dieser Erkenntnis
hat mich auf Irrwegen des Lebens nie verlassen. Nachdem ich
sie gefunden, glaube ich ín dieser Erkenntnis und im Gestalten
des Lebens nach dieser Erkenntnis nicht nur für mich, sondern
für jeden Menschen und die ganze Menschheit den Schlüssel
zum Gittek gefunden zu habén. All dies, miéin innerliches Sehnen,
Suchen, Irren und Finden von Gott (Liebe und Wahrheit als
Trager dér Welt), dér Glauben an Gott, seine geistige Leitung
dér Welt, an eine jenseitige, geistige Weiterentwicklung des
Menschen wird natüriich auch in meinen Bauten als meine Reli-
giositat enthalten sein, ist wohl das, was Sie als die ,,einfach
groBe Melodie“ empfinden, „die an Hándel gemahnt“. Die Sonne
ist Tragerin von Licht, und Sonne in dér auBeren Welt ein
Symbol von Weisheit und Liebe. So wie die Sonne mit Licht
und Wárme die Welt durchdringí und erhellt, so soll Liebe und
Weisheit die Menschheit durchdringen, erhalten, höher führen.
Wenn die Menschen die Wahrheit dieser Erkenntnis aus meinen
Bauten herausfühlen werden, so habén diese ikren geistigen
Zweck erfüllt.
Max Berg
Konstruktivismus und Dynamik
Konstruktivismus ist die formale Ausdrucksweise körper-
licher Starre nach logischen GesetzmaBigkeiten. Dynamik ist
das Prinzip bewegter Ruhe in dér Übertragung von Raum auf
Zeit, Flache auf Raum, Fláche auf Zeit. Dér Zusammenhang
von Konstruktivismus und Dynamik ist nur durch Vitaiitat,
Rotation und Mechanik lösbar. Sonst bleiben dér Raum, Flache,
die Zeit pathetisch, bewegt erscheinend, so „als ob“. Die Ge-
setzmaBigkeit von Raum, Flache, Zeit liegt begründet in ihrem
gegenseitigen, zwingenden Verhaltnis.
Die Elektromechanik Lissitzkys ist dér erste Schritt zűr
Überwindung des tótén Raumes. Auch Táti in s Versuche
(Denkmal dér 3. Internationale) müssen als Synthese dér drei
Polaritaten an dieser Stelle genannt werden. Die Forderung
welche Kurt Schwitters durch die „Merzbühne" stellt, ge
hört in begrenzten Stellen ebenfalls hierher.
Günter Hirschel-Protsch
6EDICHT
ich sitze verquer durch den raum
baumloses astet und gilbt
ich lasse den raum
und schüttle den raum
und bebe den raum
und höhe den raum
leere stöhnt
leere weitet
leere fruchtet
Angst
(Hispro)
GEDICHT
Dér Mond hangt wie eine Bühnendekoration am
Hímmel
Allé Menschen lachen aus Schmerz vor dér Ein-
samkeit
Mein weisser Hund küsst mich
Ich winsle
Gelb rollt mich die Erde zu
(Hispro)