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Man kann die Künstler, welche diese Tatsachen und die ge
folgerten Notwendigkeiten und Aufgaben erkannt haben und dem
gemäß handeln, noch an den Fingern herzählen. Das liegt nicht
zuletzt an den trostlosen ökonomischen Folgen, die revolutionäres
Handeln hier noch mehr als in den kapitalfeindlich organisierten
Berufen mit sich bringt. Wenn sich einer nicht schon vorher einen
„Namen“ gemacht hat — wird er auf Ruhm und einen vollen
Magen verzichten müssen. Zwar müssen das die meisten bürger
lichen Künstler auch. Doch zehren sie in Form von Hofinungen
und Zukunftsträumen am herrlichen Dasein der „Sterne“ verschie
dener Größe. Hier gedeiht das Strebertum, das unempfindlich
macht gegen Not, Ungerechtigkeit und Fußtritte. Es blüht vor
allem in den künstlerischen Berufsorganisationen, die meist ganz
jung sind und eher als mit Gewerkschaften mit Gymnasialklassen
oder professionellen Sportklubs vergleichbar sind. Es setzt eine
gründliche Kenntnis der verschiedenen Organisationen voraus, zu
entscheiden, ob man dieselben als Kommunist verlassen soll, oder
aber ob man im Rahmen dieser Verbände Propaganda treiben soll
und kann. Vielleicht ist die Möglichkeit gegeben, alle kommunisti
schen Künstler gesondert in einer roten Berufsorganisation zu-
sammenzufassen. Vielleicht kann man diesen Plan aus propagan
distischen Gründen aber auch ablehnen. Es wäre unbedingt wün
schenswert, daß die revolutionären Parteien zu diesen Fragen Stel
lung nehmen. Voraussetzung dafür ist das Auftreten kommunisti
scher Opposition in den Verbänden.*) Jedenfalls handelt es sich
hier um eine Fülle von Fragen und Aufgaben, denen man sich als
kommunistischer Künstler ebensowenig verschließen darf wie
irgendwelchen andern revolutionären und beruflichen Problemen.
Während auf literarischem Gebiet die Diskussion über Form
fragen, welche die letzten Jahrzehnte fast völlig beherrschte, allmäh
lich versiegt ist und heute wieder jeder schreibt wie er will und kann,
spielt dieses Problem für die bildenden Künstler nach wie vor
eine große Rolle. Auf die verschiedenen „Ismen“ einzugehen, liegt
uns zu fern. Es genügt wohl, sie alle als Produkte mangelnden
Kontaktes mit dem Leben zu charakterisieren. Deshalb kann man
nicht leugnen, daß das Streben nach neuen Gestaltnngsmöglich-
keiten und Ansdrucksmitteln, nach Ueberwindung der traditionellen
Vorstellungen und Urteile, die sich mit gewissen hergebrachten
Formen verbinden, aus einem Gefühl der Auflehnung herans ge
boren, also in gewissem Sinne revolutionär ist. Bleibt die Frage:
Wogegen revolutionär, wofür? Offenbar gegen Symptome einer
• VVergl. den „Offenen Brief an die Novembergruppe“ in Heft 8/9, Jahr
gang II „Der Gegner“.