werden die Bilder .des unendlidien Zyklus des
proletarischen Schaffens ihre Herrlichkeit ent*
falten. Angefangen von den Plastiken der Helden
der Bewegung, die man in den Kreuzwegen der
Städte sehen wird, die zu der Zeit schon rein
sein werden, in den europäisch eleganten Straßen
der Städte. Aber wehe, ich stürze in die Politik
hinein. Welche Charaktere! Welche Plastik!
Die Kühnheit der Bewegungen — man wird
sich von ihnen nicht trennen können! . . . Es
können auch Fehler Vorkommen,- aber welches
Leben! Welche prachtvolle Typen.
Und die Malerei?
• * . f
Sie kommt mir vor ähnlich der pompejanischen
Kunst,- folglich auch der altchristlichen und der
byzantinischen der Blütezeit. Es war ja das*
selbe. —' Was für eine Belebung,- was für ein
Schwung des Schaffens. Ich erinnere mich an die
Mosaik*Kuppel der Kathedrale in Palermo: —
Christus ist es! — Was für ein Kopf, was für
ein unvergeßlicher Ausdruck der Augen. Ob*
wohl alles mit groben Strichen ohne sichtbare
Anstrengung, mit zahlreichen großen Fehlern
gemacht ist <z. B. die Länge des Ellenbogens
des rechten Arms!). Aber das ist nicht will
kürlich gemacht worden. — Der Künstler konnte
es nicht anders, er schrieb, bis er mit seiner
ganzen Seele brannte und sah nicht seine Fehler.
Anmerkung der Redaktion. Ein fast Achtzig^
jähriger, der selbst einmal in der russischen Kunst als
Revolutionär gewirkt, der in ergreifenden Bildern die
dumpfe Qual des geknechteten Volkes mit dem Pathos der
Anklage dargestellt hat, schrieb diese allzu heftigen, in
vielem ungerechten Ausfälle gegen eine neue Zeit und
eine neue Kunst.
Bücher / Kataloge.
Kunst und Religion. Ein Ausspruch
wie der Virchows: „Ich habe in meinem Leben
viele Leichen seziert, aber nie eine Seele ge*
furtden" galt der Generation von gestern als
treffendes Apercu. Heute würde er wieder
blasphemisch wirken.
Die Weit fängt im Menschen an — Im Nacken
das Sternenmeer — Das Geistige in der Kunst —
lauten Prägungen unserer Zeit. Unsere Seele ist
erwacht und erschauert in transzendentalen, kos
mischen, religiösen Ahnungen. Wir können noch
nicht von einer neuen Religiosität sprechen, ge*
schweige denn von einer neuen Religion. Nur
von einer religiösen Sehnsucht, einer religiösen
Stimmung.
Aus dieser heraus schrieb G. Hartlaub sein
Buch: K unst und Religion. Ein Ver*
such über die Möglichkeit neuer reli
giöser Kunst. Kurt Wolff, Verlag,
München 1919. Das Buch eines philosophisch
begabten Kunsthistorikers, der Vergangenes
begreift, Gegenwärtiges erlebt, Zukünftiges
ahnt.
0 0 *
Von bleibendem Wert die Kapitel: „Grund*
lagen religiöser Kunst" und „Kunst und Re*
ligion im 19. Jahrhundert."
Die Voraussage einer aus der Versöhnung
der Romantik mit Nietzsche hervorgehenden
Religiosität der Zukunft hat den Reiz einer geist*
reich begründeten Hypothese.
Das letzte Kapitel „Neue religiöse Kunst",
das sich dem Kunstschaffen der Gegenwart zu*
wendet, ist ein wichtiger Beitrag zur Wertung
der Neuen Kunst.
Unannehmbar aber für mich ist Hartlaubs
Postulat: Es gibt keine religiöse Kunst ohne
religiösen Gegenstand. — Demgegenüber be
kenne ich mich zur Einsicht Georg Simmels, der,
zwischen der Darstellung des Religiösen und
der religiösen Darstellung unterscheidend, zur
prinzipiellen Erkenntnis gelangt, daß es religiöse
Kunstwerke gibt, deren Gegenstand gar nicht
religiös zu sein braucht, wie es — viel an*
erkannterer Weise — gänzlich irreligiöse gibt,
deren Gegenstand religiös ist. Simmel zeigt am
Beispiel Rembrandts, daß es auf Bildern dieses
Künstlers gar keiner religiösen Einzelheiten be*
darf,- daß das Ganze religiös ist, da die aprio*
rische Energie, die es erzeugt hat, religiös ist.
Das religiöse Moment als Formungsgesetz des
Schaffens selbst.
Der Verlag hat dem gedankenreichen und
sprachlich schönen Buch Hartlaubs eine für die
Zeit überraschend gute Ausstattung gegeben:
Papier, Drude und Abbildungen sind vorzüglich.
Der Titel eines bei G r o t e, B e r 1 i n, erschie*
nenen Buches W. Valentiners: Zeiten