140
doch ihr Körper bewahrt. Vielleicht sind sie nur deshalb
fähig, innerlich geistig zu wachsen und leuchtendes Vor
bild zu werden.
Sündige ich um des leuchtenden Vorbildes willen? Ist
das nicht eine Ausflucht, ein Sichrechtfertigenwollen?
Aber ich sündige, alle andern mögen frei sein. Wie viele
habe ich freigesprochen. In meinen Augen waren sie
schuldlos. Wie ich es sah. Dennoch will ich niemanden um
sein Verdienst bringen, und sei Sünde Verdienst.
Es gibt Mädchen, die sagen, sie seien gedankenlos und
ohne Empfindung. Weiß nicht, ob ich mit denen tauschen
möchte. Trotz allen Elends liebe ich mein Bewußtsein, auf
geheimnisvolle Weise sogar das Bewußtsein meiner Sün
de. Auch auf meiner Sünde muß ich bestehen; immer be
halte ich sie im Auge. Sehe die ganze Größe, die Größe
meiner Sünde. Nur ich kann so groß sündigen, weil ich
so bewußt bin meiner Sünde. Wie vollkommen bin ich
doch meiner Niedrigkeit bewußt. Das vertieft meine
Schuld. Das ist keine Ausflucht. Darauf werde ich ein
Leben lang bestehen können — und mich fallen fühlen, denn
ich bin ein wachsamer Mensch.
Wie viele Nächte habe ich gewacht! Gelauscht auf jede
Regung, in mir und — ja, das ist es — in dem andern.
Die Seele jedes Mannes erlauscht, der sich mir nahte. Ich
trage das Reflerbild des Mannes in mir, der vielleicht
mich nur gewittert hat. Wer kann wissen.
Aber ich spüre, wohin ich komme. Soviel Spürsinn in
mir ist, spüre ich. Ich komme ... auf meine eigene Spur,