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Von Gottes- und Menschenrechten.
Was wäre die Kritik an der Nation anders als ein fortgesetzter
Akt der schnödesten Nörgelei, wenn man nicht hoffte, in und
mit der Nation zu immer größerer Selbstkenntnis, Verantwortung
und Freiheit zu gelangen? Was könnte einem daran gelegen
sein, gerade der eigenen Nation immer wieder eine von ihrer
Eigenliebe bestrittene Schuld und Verpflichtung zuzuerkennen,
wenn man nicht hoffte, mit solchem Mittel zu echterer Bindung
und freierem Selbstgefühl zu gelangen?
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24. V. Zweimal bin ich inzwischen in Deutschland gewesen, anfangs
März und anfangs Mai, und zwar in München, Berlin, Frankfurt
und Mannheim. In Berlin fand ich freundlichste Aufnahme bei
Witting und Persius, Gerlach und Strobel. Auch mit Elisabeth
Rotten war ich öfters zusammen. In Frankfurt hörte ich einen
Vortrag Beerfeldes; in Mannheim sprach ich selbst, auf Einladung
Lederers, über „Siebzig Dokumente“. Auch von alten Bekannten
sah ich einige wieder. Ich schneite da eines abends (incognito, so
glaubte ich) in eine Dada-Veranstaltung hinein und mußte mit in
die Wohnung des Dr. Lubasch kommen, wo es recht bunt zu
ging: es tanzten ungefähr zwanzig Paare zu Grammophonmusik.
Resultat: daß die politische Aktion in der Schweiz keinen
Sinn mehr hat, und daß es kindisch ist, diesem Treiben gegenüber
auf Moral zu bestehen. Ich bin gründlich geheilt, von der Politik
nun auch, nachdem ich den Ästhetizismus bereits früher abgelegt
hatte. Es ist notwendig, noch enger und ausschließlicher auf die
individuelle Basis zu rekurrieren; nur der eigenen Integrität zu
leben, auf jedes korporative Wirken aber ganz zu verzichten.
*
Auch Landauer ist ermordet worden; was sage ich ermordet,
er ist von rückwärts getroffen und dann, nachdem er zu Boden