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Die Flucht zum Grunde.
6. IV. Die Fehler, die man am andern entdeckt, sind oftmals nur die
eigenen. Wer sich mit diesem Gedanken vertraut macht, hat
großen Nutzen davon.
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Das Leben reimt ohne Unterlaß, es übertreibt ohne Unter
laß. Einer erfindet den andern täglich aufs neue und alle be
wegen sich in der Illusion. Gemeinhin ist es ein holpernder
Bänkelsang, eine Moritat, oder, wenns hochkommt, ein sen
timentales Melodram. Aber es könnte auch ein Sinngedicht
und eine Tragödie göttlicher Stichworte sein. Dies hängt vom
Talente der Mitspieler, von der Gunst des Schauplatzes, und
nicht zuletzt von der Gnade dessen ab, der das Spiel vorsieht
und es leitet.
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9. IV. In den Abendstunden lese ich Strindbergs „Inferno“. Es ist
ein sehr persönliches, genialisches Inferno, ganz im Privaten
wirkend. Man kann ihn nicht recht bedauern, weil man eine
Verbohrtheit empfindet und auch merkt, daß er bereit ist, sogar
aus wirklichen Leiden Nahrung für seine Eitelkeit zu ziehen.
Swedenborg hat es ihm angetan. Und wie bei jenem, so reichen
auch hier die Hiob, Saul und Jacob gerade noch aus, als Beispiel
zu dienen für allerhand Eigenheiten und Schrullen. Welche
Finessen er aufwendet, um interessant zu erscheinen. Wie ver
geblich ist er bemüht, all seinen Damen, Tanten und Schwieger
müttern dämonisches Licht zu geben. Sein Buch ist ein bestän
diger Appell, sich seiner mittels Schreck und Bewunderung anzu
nehmen. Was verschlägt es aber? Was sind noch unsere persön
lichen Leiden (von den privaten gar nicht zu reden).
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10. IV. ,Fürchtet den, welcher, nachdem er getötet hat, auch die
Macht besitzt, in die Hölle zu werfen' (Lukas 12, 1—8).