Wols, der eigentlich Wolfgang Schulze hieß, wurde 1913 in
Berlin geboren, machte eine Ausbildung als Geiger durch, stu-
dierte kurze Zeit am Bauhaus in Berlin, arbeitete als Photo-
graph, begann dann in Paris, wo er sich 1932 niederließ, zu
malen und starb hier schon am 1. September 1951. Sein Werk
ist zwar unabgeschlossen, aber trotz diesem Torsocharakter
zählt es fraglos unter die wirkkräftigsten und bedeutend-
sten Manifestationen der gesamten Nachkriegsmalerei. Wols
ist einer der entscheidenden Begründer der scharf gegen die
geometrische Abstraktion opponierenden Stilbewegung des
«abstrakten Expressionismus». Ausgehend von Erfahrungen
des Surrealismus, wesentlich geprägt durch Paul Klee, hat
Wols sich als einer der ersten in bisher ungekanntem Ausmaß
der von gegenständlichen, abbildenden Bezügen und Funktio-
nen losgelösten, freien Farbe anvertraut, dem handschriftlich
Spontanen, dem scheinbar unkontrollierten, «automatistischen»
Psychogramm.
Das Bild «Le bateau ivre> (Oel auf Leinwand, 92 X 73 cm,
bez. u.r.: WOLS; entstanden vermutlich um 1945) verweist zwar
mit seinem Titel auf ein gegenständlich motivisches «Sujet> —
tatsächlich kann der Betrachter unter Aufwendung einiger
Phantasie so etwas wie ein im unbestimmten Bildraum tor-
kelndes schiffähnliches Ding mit mastenartiger, verwirrender
Takelage wahrnehmen. Indessen ist dieses Ding der Zone des
vordergründig Realen entrückt: es erscheint als Chiffre eines
traumhaft irrationalen Geschehens, das der Erfassung im dis-
kursiven Wort Widerstand leistet. Was sich als eigentlicher,
unmittelbar zu erlebender «Bildinhalt>» bekundet, das ist die
Handschrift selber — ein Phänomen, das hier eine außer-
ordentlich reiche Struktur besitzt, in der letztlich die «Quali-
tät» des Werkes beruht. In der Skala von Pechschwarz über
Braun, Weinrot, Orange, Gelb, Grün, Tiefblau, Hellblau bis
zu Weiß tritt die Farbe in allen nur denkbaren Erscheinungs-
weisen des Auftrags hervor: als Strich, als Fleck oder Tupf, als
pastoses, körperhaftes Gerinnsel, als heftiger Wischer und
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