JULIO GONZALEZ: ARLEQUIN, 1929
Als Julio Gonzalez 1929 die Plastik des «Arlequin» schmiedete, stand er
bereits in seinem dreiundfünfzigsten Lebensjahr. Dennoch ist dieses Werk
jener Phase seiner Entwicklung zuzurechnen, die die Zeit der Reife, der
künstlerischen Verwirklichung erst einleitet. Daß Gonzalez so spät seinen
eigenen Stil fand, erstaunt um so mehr, als der Künstler bereits in seiner
Jugendzeit in Barcelona als Sohn des Inhabers einer bekannten Kunst-
und Goldschmiedewerkstätte mit der handwerklichen Seite der Metall-
bearbeitung in Kontakt kam und zudem seine rein künstlerischen Inter-
essen keineswegs hintan stellen mußte. Für den bahnbrechenden Archi-
tekten Antonio Gaudi soll Gonzalez damals in der Werkstätte seines Vaters
Eisenarbeiten für die leider unvollendet gebliebene Kirche der «Sagrada
Familia» ausgeführt haben®, Als der Künstler zusammen mit seiner
Familie um die Jahrhundertwende nach Paris übersiedelte, nahm er Kon-
takt auf mit Picasso, Manolo, Max Jacob, Maurice Raynal, wenig später
auch mit dem Komponisten Edgar Varese. Doch vermochte diese Avant-
gardegruppe den stärker in handwerklichen Traditionen verwurzelten
Gonzalez in künstlerischer Hinsicht kaum zu beeinflussen. Seine Liebe
galt damals der Malerei, in der er eine deutliche Abhängigkeit von Puvis
de Chavannes erkennen läßt, wenn auch zuweilen zartgliedrige Figuren
von elegischer Ausdruckskraft an vergleichbare Gestaltungen aus Picassos
blauer Periode denken lassen.
Die sicher einleuchtendste Erklärung für den langen Leidensweg des
Künstlers bis zu seiner Erfüllung gibt Werner Schmalenbach!®: «Wohl
der entscheidende Grund für die fast zwei Jahrzehnte dauernde Inkuba-
tionszeit seines plastischen Schaffens war der, daß Gonzalez ein Mensch
des Eisens, das Eisen aber nicht ein Werkstoff war, nach dem ein Künstler
nur die Hand auszustrecken brauchte. Gonzalez hatte in der väterlichen
Werkstatt Lampen, Laternen, Kandelaber, Blumenornamente geschmie-
det und hatte solche Arbeiten, gemeinsam mit dem im Jahre 1908 ver-
storbenen Bruder Joan, des öfteren in Barcelona, einmal sogar in Chicago,