ZWEI WERKE DER AUSEINANDERSETZUNG MIT DEM KUBISMUS
Roger de la Fresnaye, «La femme aux nuages», um 1911112
Mit La femme aux nuages (Abb. 6) ist der französische Maler Roger de la
Fresnaye zum ersten Mal in der Sammlung des Kunsthauses vertreten.
Das Bild, das bereits seit längerer Zeit als Leihgabe im « Kubistensaal »
hängt, ist ein Geschenk von Herrn Kaganowitch in Erinnerung an seine
Frau Rosy Wyspa. Es gehört in die Schaffensperiode La Fresnayes, die
von der Auseinandersetzung mit dem Kubismus bestimmt wurde. La
Fresnaye kam um 1911 mit den Kubisten in Berührung. Er schloß sich
dem «Groupe de Puteaux» an, der sich regelmäßig im Atelier von
Jacques Villon traf und zu dem unter anderen Gleizes, Metzinger, Leger,
Picabia und Duchamp gehörten. La Fresnaye nahm 1912 zusammen mit
dieser Künstlergruppe an der Ausstellung «Section d’Or» in der Galerie
de la Boätie in Paris teil. Die meisten Maler der «Section d’Or» standen
dem analytischen Kubismus von Picasso und Braque mit Vorbehalten
gegenüber. Sie kritisierten an ihm vor allem seine Gleichgültigkeit
gegenüber dem Menschen und seine Ablehnung der Farbe. Obwohl sie
seine formalen Mittel teilweise übernahmen, waren sie nicht bereit, ähn-
lich radikal mit den traditionellen Körper- und Raumvorstellungen zu
brechen.
La Fresnayes Bild spiegelt diesen Zwiespalt wider. In seinem weiblichen
Akt stehen sich kubistisch aufgebrochene Konturen und realistische Ge-
schlossenheit des Körpers gegenüber. Während Picasso und Braque ihre
Figuren und Gegenstände in kristallinische Formen aufsplittern und um
1911/12 bereits mehr und mehr ins Flächig-Geometrische und fast Ab-
strakte auflösen, bleibt La Fresnaye dem Imitativen verhaftet. Sind im
analytischen Kubismus Licht und Schatten so verteilt, daß jede Facette
ihre eigene Beleuchtung hat und sich keine zusammenhängenden Körper
bilden, so läßt La Fresnaye Arme, Brüste, Hüfte und Beine der Frauen-
gestalt in fast illusionistischer Weise durch Aufhellung der gewölbten
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