lichen Glaubensgewissheit ergaben. Die Altertumswis-
senschaften haben in weitläufigen Forschungen die myste-
riösen Anspielungen des Apuleius und seiner faszinie-
renden Metamorphosen untersucht;!5 seine Rezeption im
Klassizismus scheint hingegen noch kaum Interpreten
gefunden zu haben.'® Ein Aspekt, der das spätantike Philo-
sophenmärchen nach der Krise der barocken Ikonographie
besonders empfahl, war der Charakter der Figuren, der dem
neuen Verständnis von Symbol oder Allegorie entsprach:
der «Übereinstimmung mit sich selber», wie es Moritz
verlangte und gerade an Amor und Psyche exemplifi-
zierte.” Den «Frühling des Lebens» bedeuten sie, und ihre
Umarmung spielt auf die Vereinigung der Seele mit dem
Körper an.!® Die individuelle psychische Vertiefung und
Verfeinerung der Liebesbeziehung gehörte zu den
zentralen Bestrebungen des «Zeitalters der Empfindsam-
keit»; kein antiker Text trug mehr zu diesem Thema bei als
die Geschichte von der Initiation der Psyche und der Zäh-
mung des frivolen Cupidos ın der Ehe.
Angelika Kauffmann wählte die gleiche Episode zur
Darstellung wie Canova; doch der Schicklichkeit zu
genügen, hat sich Psyche aus ihrem Todesschlaf bereits
wieder aufgerichtet. Dass ihr Amor die Tränen mit seinen
goldenen Locken trocknet, erzählt Apuleius bei anderer
Gelegenheit;® uns mag es an Füsslis Haar-Fetischismus
erinnern. Gegenüber dem Entwurf hat sie die Flügelchen
verloren und erscheint in ihrem antikisch hochgegürteten
Gewand und dem gedämpft rosa Umhang fast wie eine
zeitgenössische junge Frau. So überrascht es nicht, dass die
Malerin etwas früher eine Engländerin als Psyche portrai-
tierte.20 Vielleicht fühlte sich Angelika sogar mit ihr als
seelenverwandt, konnte sie sich doch auch selbst als von der
Venus verfolgt betrachten. Vermutlich wählt sie das Thema
selbst, auch wenn die Ausführung im grossen Format als
Auftrag der Fürstin Bariatinsky, einer Kusine des Zaren,
gemalt wurde.?! Diese liess sich auch in einem grossen
Gruppenportrait mit Sohn, Tocher, Schwiegersohn und
einer Büste ihres Vaters, dem Fürsten von Holstein-Beck,
vom Schweizer Trippel in Rom gemeisselt, darstellen.22? Ob
der berüchtigt rabiaten Dame die Szene zu idyllisch war
oder ob äussere Umstände dazwischen kamen, ist nicht
bekannt: jedenfalls wurde das Gemälde von einer anderen
Gönnerin, der Prinzessin Louise von Anhalt-Dessau bei
ihrem Besuch in Rom 1796 erworben.?? Und in diesem
fürstlichen Hause vererbte es sich, bis es als Geschenk der
Jacobs-Suchard ins Kunsthaus gelangte. Nachdem 1986
Herr und Frau Koetser die prächtige Gruppe venezia-
nischer Gemälde des 18. Jahrhunderts ihrer Stiftung über-
schrieben, verknüpft nun das neue Bild in idealer Weise
den so ausserordentlich bereicherten Bestand alter Meister
mit der seit zwei Jahrhunderten aufgebauten Sammlung
schweizerischer Malerei der Zürcher Kunstgesellschaft.
Christian Klemm
' Die Literaturzu Angelika Kauffmann ist weitläufig, abereher belletristi-
schen Charakters. Noch zeitgenössisch: Giovanni Gherardo de Rossi:
Vita de Angelica Kauffmann (Florenz 1810), die wichtigste Quelle
«Memonia delle pitture fatte d’Angelica Kauffmann» (Mss. R.A. Lon-
don) in englischer Übersetzung publiziert bei Victoria Manners/
G.C. Williamson: Angelica Kauffmann, R.A., her Life and her Works
(New York 1924), vgl. Wendy Wassyng Roworth: Angelica Kauffman’s
«Memorandum of Paintings» (Burlington Magazine CXXVI 1984
p- 629s). Kunsthistorisch am ertragreichsten: Angelika Kauffmann und
ihre Zeitgenossen (Ausst. Kat. Bregenz 1969); eine sehr nützliche
Zusammenstellung von Stichen mit Bibliographie: Angelika Kauff-
mann und ihre Zeit. Graphik und Zeichnungen von 1760-1810 (Lager-
liste 70C. G. Boerner Düsseldorf 1979); zur Fortuna critica aus feministi-
scher Sicht die Zürcher Dissertation von Ruth Nobs-Greter: Die Künst-
lerin und ihr Werk in der deutschsprachigen Kunstgeschichtsschrei-
bung (1984, bes. p. 121-163).
Kat. Bregenz 1969 Nr. 10.
David Irwin: English Neoclassical Art (London 1966).
' Johann Heinrich Füssli. Zeichnungen (Kunsthaus Zürich, Sammlungs-
heft 12, 1986) Nr. 3; Gert Schiff: Johann Heinrich Füssli (2 vol. Zürich
1973) Nr.334; ein Stich nach dem Gemälde der Angelika (Saltram
House) im Kat. Düsseldorf 1979, Nr. 76.
Manifest aber ungeklärt die Beziehung der Darstellungen Batonis und
Kauffmanns von «Bacchus und Ariadne»(Privatslg. Rom, dat. 1773, resp.
Vorarlberger Landesmuseum Bregenz, dat. 1764; vgl. Anthony
M. Clark: Pompeo Batoni [Oxford 1985] Nr. 353), bereits ein ähnliches
Sujet wie «Amor und Psyche».
Zu dieser Beziehung s. Eckhard Schinkel: «Eine sehr flüchtig gemachte
Zeichnung» von Angelika Kauffmann (Maler und Dichter der Idylle,
Salomon Gessner, 1730-1788 [Ausst. Kat. Zürich/ Wolffenbüttel 1980]
p- 171-175).
Z.B. Herbert von Einem: Deutsche Malerei des Klassizismus und der
Romantik 1760 bis 1840 (München 1978), oder Dieter Honisch: Anton
Raphael Mengs und die Bildform des Frühklassizismus (Recklinghau-
sen 1965; = Münstersche Studien zur Kunstgeschichte 1), der diesen
Ansatz Theodor Hetzers weiter zu entwickeln sucht.
3 S. den Katalog Düsseldorf 1979 und Edward Croft-Murray: Decorative
Painting in England 1537-1837 (2 vol. Feltham 1970, vol. 2 p. 227ss).
In der«Memonia. . .» (s. Anm. 1), dem von ihrem Gatten geführten Werk-
katalog unter 1792 (Manners p. 162s): Georg Biermann: Deutsches