5
tigen Salonmaler, der sowohl durch ungewöhnliche
Sujets als durch vielfältig innovative Malweisen über-
raschte und K ritik und Kunstwelt fesselte. Während
die Neue Pinakothek, damals das führende Museum
für Avantgarde-Kunst, über dreissig Werke von ihm
erwarb, war er im Kunsthaus ebenso wenig vertreten
wie die meisten seinesgleichen: Die Sammlung Müller
eröffnet hier ganz neue Perspektiven in einen grossen
Bereich der Kunst des 19. Jahrhunderts, der vielleicht
heutigen Erscheinungen verwandter ist, als esauf den
ersten Blick erscheinen mag. Die nicht minder gross-
zü gige finanzielle Unterstützung von Frau Müller, die
wir hier mit besonderem Dank hervorheben möchten,
ermöglichte es, dass Gian Casper Bott den Bestand
sorgfältig wissenschaftlich aufarbeiten, eine reprä-
sentative Ausstellung, die viele faszinierte, einrichten
und ein grundlegendes Katalogbuch verfassen konnte.
In denkbar grossem Gegensatz zu den ausufern-
den Experimenten Kellers steht die andere, allerdings
wesentlich kleinere Werkgruppe eines Künstlers, die
letztes Jahr in die Sammlung aufgenommen wurde.
Carlo Vivarelli, in der Nachkriegszeit ein international
führender Graphiker, gehörte zur zweiten Generation
derZürcherKonkreten.Erwarvon1975bis1978Mit-
glied der Ausstellungskommission und anschliessend
biszuseinemTod1986imVorstandderKunstgesell-
schaftundistallen,dieihmbegegneten,alsbesonders
sympathische Persönlichkeit in bester Erinnerung. Er
vermachte seinen künstlerischen Nachlass der Kunst-
gesellschaft vorbehältlich der Nutzung durch seine
FrauElvira,die2008starb.InderBeschränkungaufdas
Quadrat der Leinwand, das nach logisch nachvollzieh-
baren geometrischen Prinzipien in horizontal und verti-
Eine sowohl in ihrem Umfang wie von ihrer Ausrich-
tung überraschende Bereicherung erfuhr die Samm-
lung 2009 durch die ausserordentlich grosszügige
Schenkung von Frau Hannelore Müller. Ihr Mann, der
Chemiker Dr. Oskar A. Müller, war ein passionier-
terSammler,dersichganzaufdasWerkAlbertvon
Kellers konzentrierte, und es gelang ihm, aus allen
Bereichen des vielfältigen Schaffens dieses in seiner
Zeit berühmten Salon-Künstlers und Sezessionis-
ten repräsentative Werkgruppen zu erwerben. Seine
intensive Auseinandersetzung mit Persönlichkeit und
Wirken des Malers erstreckte sich auch auf archiva-
lische Studien und die Dokumentation seiner Lebens-
sphäre,sodassernichtwenigeralsdreiBücherüber
ihn verfassen konnte. Albert von Keller entstammte
einer alten Zürcher Familie, die seit dem 17. Jahr-
hundertnebendenFüssliundMeierzudeninKunst
und Kunstgewerbe führenden der Stadt gehörte. Im
Kunsthaus hängt das Porträt seines Vorfahren Baltha-
sar Keller, des Erzgiessers Ludw igs XIV., gemalt von
dessen Hofmaler Rigaud; die Altzürcher Sammlung
des Obersten Johann Caspar Keller zum Mohrenkopf,
eines Gründungsmitglieds der Künstlergesellschaft,
bildete den Ausgangspunkt unserer Gemäldesamm-
lung; sein Sohn Heinrich leistete mit seinem «Dio-
medes», ebenfalls ein Geschenk der Familie, einen
wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der klassizisti-
schen Skulptur in Rom. Als aussereheliches Kind in
Gais geboren und von seiner Mutter in Deutschland
sorgfältig in intellektuellen und künstlerischen Krei-
sen erzogen, entwickelte sich Albert in München fern
von der provinziellen Zünfter-Stadt allerdings zu einem
völlig anderen Künstlertyp, dem verblüffend pinselfer- Sammlung