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vom 21. 1. 20 einen großen Kunstbrief über Hannover. Da steht
so mancherlei gedruckt, daß wir uns wohl erlauben dürfen,
Herrn Dr. Küppers einen geistreichen Spötter zu nennen. Man
lese nach:
„Wenn das Kunstleben ein Barometer für die Aktivität einer
Stadt ist, so ist Hannover heute eine der lebendigsten Städte
Deutschlands. Hier gibt es noch Kunstkämpfe, deren man anders
wo längst müde geworden ist. Hannover ist aber nicht müde,
weil es eben erst wach geworden ist. Maler und Bildhauer, die
hier tätig waren, entsprachen den Anforderungen einer schnell
hochgekommenen Gesellschaft, die sich über die Grenzen zwischen
Kunst und Kitsch nicht klar sein konnte. Die wenigen bedeut
samen Künstler, die hier aufwuchsen, kehrten der Stadt den Rücken,
wenn ihre Geltung die Grenzen Hannovers überschritt. Heute
haben wir wieder Künstler, die an dem anregenden neuen Kunst
leben der Stadt leidenschaftlich Anteil nehmen. Junge Leute,
mitten in der Entwicklung, aber wie Burchartz und Gleichmann
Begabungen, auf die wir stolz sein können. Ja, die Ironie der
Geschichte will es, daß wir in dieser bisher so spießigen Stadt
das Letzte und Neueste aufzuweisen haben, was auf künstlerischem
Gebiet in dieser wirren Zeit geleistet wird: den „Merzmaler“ und
Dichter Kurt Schwitters, das enfant terrible des Expres
sionismus, halb Kind, halb Charlatan, begabt, aber ohne Selbst
zucht, stets zufrieden mit der eigenen Produktion und zu allerlei
künstlerischen Schandtaten bereit. Er will „den Blödsinn zur Kunst
erheben. Nicht wie die Dadaisten die Kunst durch Blödsinn
ersetzen“. Also Edeldadaist. Was er im Schutthaufen aufliest,
aus Drucksachen ausschneidet, von Zäunen und Plakaten abschreibt,
was er zusammenklebt, -nagelt, -dichtet, -malt, bleibt chaotische
Materie; bleibt vor allem Stoff für die Unterhaltung. („Haben
Sie schon das Neueste von Schwitters gehört?“) Der Haupt
mann von Köpenick der Kunstgeschichte“.
Bevor Herr Dr. Küppers dieses ernsthaft dichtete, gab er bei
einem unserer bekanntesten deutschen Verlagshäuser (Heinrich
Böhme in Hannover) eine „Anthologie moderner Dichtungen und
Graphik“ heraus. Diese Zusammenstellung ist wertvoll durch
den aufgenommenen Holzschnitt von Kurt Schwitters. Von Kurt
Schwitters, den Herr Dr. Küppers über ein Kleines so geistvoll
schmäht. Ist da nicht eine dolle Diskrepanz? Ist da nicht eine
Verschiebung der Ansichten? Über die Anthologie, die gleich
falls mit dem ollen „Kestner“ in Verbindung gebracht ist: (Kestner-
Gesellschaft, Kestner-Bühne, Kestner-Buch; warum nicht gleich: