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Faust den Machtwillen des Junkertums brechen, das
heißt Preußen modernisieren. Bis jetzt hat noch kein
preußischer König 1 diese eiserne Faust besessen, und
es ist höchst unwahrscheinlich, daß je einer sie be
sitzen wird.
Wilhelm I. war dem alten System abgewandt, weil
i hm die Unanständigkeit des Hofkliquen Wesens zu
wider war. Die Verfassung zu halten war ihm eine
zwar schwere, aber doch hehre Pflicht. Er sprach das
gleiche bei der Bildung des neuen Ministeriums aus,
als er sagte: „die Regierung dürfe sich nicht von so
genannten liberalen, in Wahrheit überspannten Ideen
fort und fort in das Unbestimmte treiben lassen“.
Und seinem Schwager in Weimar schrieb er, er wolle
der Welt zeigen, „daß es möglich sei, selbst mit einer
mißlichen Verfassung zu regieren, wenn man eine
konservative Basis beibehalte und Ehrenmänner zur
Durchführung eines solchen Systems als Helfer er
wähle“.
Obgleich also der neue König zunächst eine den
Junkern feindliche Miene aufsetzte, hatten die Junker
bei dieser Auffassung doch im Prinzip von vornherein
gewonnenes Spiel. Sie brauchten nur lauter und
immer lauter über die Gefahren der Demokratie, die
Demütigung der alten preußischen Krone und das
Heraufkommen der Republik zu schreien und sie
durften sicher sein, damit ein immer aufmerksames
Ohr zu treffen. Die Mannen der „Kreuz-Zeitung“ er
mangelten nicht, dieses Rezept anzuwenden.
Wilhelm I. hatte die Kamarilla beseitigt. Aber
als „leidenschaftlicher Soldat“ (an allen Hohenzollern
rühmt man ihr leidenschaftliches Soldatentum) schaffte
er etwas ganz neues, das den Hofjunkern Ersatz bot:
das Militärkabinett. Mit dem Leiter dieses Kabinetts,
dem General von Manteuffel, begann die planmäßige
Vorbereitung der bismarcksohen Kriege. Zunächst
wurde eine große Heeresreform verlangt und den
Kammern zur Beratung vorgelegt. Mit der Berufung
von Roons zum Kriegsminister erhielt der Liberalis
mus der neuen Aera einen ersten schweren Schlag,
von dem er sich nicht erholen sollte. Gleich bei seiner