Volltext: Almanach der Freien Zeitung (1918)

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Uns fern haltend von den leichenfleddernden Wöl 
fen, ohne einzustimmen in die Elegien der Klage 
weiber, wollen wir nur ein paar Daten, ein paar Tat 
sachen geben. 
Bethmann-Hollweg begann genannt zu werden, als 
er Landrat von Teltow-Beeskow und freikonservativer 
Landtagsabgeordneter war. Er galt damals schon als 
Typus des Frei- und Kulturkonservativen. Das heißt, 
er vertrat die Junkerpolitik einschließlich des Aus 
nahmegesetzes gegen die Sozialdemokratie. Aber er 
servierte den soliden, wenn auch mißduftenden reak-. 
tionären Kohl in moderner Garnierung, das heißt ver 
ziert mit eiweichen verstandenen oder auch nicht ver 
standenen Lesefrüchten aus Kant und Nietzsche. (Sel 
tener aus Goethe und Uhland. Gereimte Zitate über 
lies er durchweg Bernhard Bülow.) 
Er — Bethmann nämlich — wurde dann Ober 
präsident der Mark Brandenburg. Er waltete ehrbar 
und anständig seines Amtes. In der in Preußen üb 
lichen Unterdrückung Mißliebiger überschritt er nie 
mals die Grenzen, jenseits deren die reohtsnational- 
liberale Mißbilligung anfängt. 
Er wurde dann preußischer Minister des Innern. 
Er debütierte mit einer Rede über Nietzsche und das 
Wahlrecht. Die Junker verstanden zwar nicht die 
Partien über Nietzsche, wohl aber die über das Wahl 
recht, die von der Verwerflichkeit der Demokratie 
handelten. Um diesen Preis verziehen sie sogar • die 
an sich verdächtige Beschäftigung mit „Gehirn- 
fatzken“. Die bescheidenen Liberalen, besonders das 
Herz der alternden, damals noch nicht ullsteinisch 
aufgeschminkten Tante Voß *) gewann Bethmann-Holl 
weg durch eine zweite Beide, die von Sittlichkeitsfragen 
handelte und das freimütige Bekenntnis enthielt, daß 
er nicht mehr an den Klapperstorch glaube . . . 
Dann wurde Bethmann-Hollweg an Posadowskys 
Stelle Staatssekretär des Reichsamts des Innern. In 
dieser seiner Stellung gelang es ihm, unter Abgabe 
nachher nicht gehaltener Versprechungen, vom Reichs 
*) Pie im Ullstein-Verlag erscheinende „Vossische ZeitUDg“.
	        
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