Volltext: Almanach der Freien Zeitung (1918)

einem Generalstabsvortrag ähnelt, als einer politischen 
Rede großen Stils, nichts verkündet, was dem Volk 
die Nähe des Glücks der Freiheit verhieße, oder Sie 
veranlassen könnte, ihm als ebenbürtig sich zur Seite 
zn stellen. 
Trotzdem verhandeln Sie, Ulianow Lenin, mit 
dieser Regierung und fraternisieren mit den Dema 
gogen der alten deutschen sozialdemokratischen Par 
tei, die beide ihr Möglichstes getan haben, um die 
Aufrechten, die Empörer, die Aufrührer, die Pro 
pheten der Freiheit dem Moloch des Militarismus 
auszuliefern. 
Diese beiden Faktoren, die Ihnen Garantien 
scheinen für einen Frieden im Sinne der russischen 
Revolution, sind es für uns, die wir an die Univer 
salität der Menschheit glauben, nicht, denn beide .sind 
mit einer Tradition verbunden, die jedes Vorwärts un 
möglich macht, was Sie am besten wissen, da Sie diese 
Tradition im blutigen Kampf mit Kerenski zer 
trümmerten. 
Es ist Ihnen auch keinesfalls entgangen, welch 
tiefer Gegensatz in den Manifestationen Oesterreich- 
Ungarns- und Preußen-Deutschlands zu dem Ereignis 
der siegreichen russischen Revolution des Arbeiter 
und Soldatenrates zum Ausdruck kommt. 
Während in Oesterreich-Ungarn wohl im Bewußt 
sein der ehemaligen Schuld sich jetzt im Volke der 
ehrliche Wille zu einem die Menschheit erlösenden 
Frieden kundtut und spontan durch große, gewaltige 
Demonstrationen gefestigt wird, gelangt die deutsche 
Regierung einzig und allein aus rein militärischen 
Erwägungen heraus zu einer entgegenkommenden 
Antwort auf das russische Angebot. Sie sind der 
letzte, der nicht weiß, daß Deutschlands Regierung 
einen Sonderfrieden im Osten sucht, nicht um eines 
allgemeinen Friedens willen, sondern um des daraus 
resultierenden militärischen Vorteils. 
Der ungeheure unüberbrückbare Widerspruch 
zwischen dem Geist Ihres großen Manifestes vom 
9. November und der Praxis Ihrer politischen Ver- 
handlungsmethöden, zwischen Ihrer Rücksichtslosig-
	        
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