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AUFRUF DER SOZIALDEMOKRATISCHEN
PARTEI SERBIENS ZUR ERRETTUNG DES
SERBISCHEN VOLKES VOR VÖLLIGEM
UNTERGANGE*)
(Nummer 1, Neujahr 1918.)
Die Lage im besetzten Serbien.
Als im Herbst 1915 die Eroberer die Save, die
Donau und den Timok überschritten, war ganz Ser
bien in zwei Teile gespalten: der eine Teil bietet das
traurige Bild eines Friedhofes, der andere das Bild
eines Spitals. Man befand sich nicht mehr einem
furchtbaren Gegner gegenüber, dessen Widerstand es
zu brechen galt, sondern gegenüber einem schwer an
gegriffenen Lande, das auf Grund der einfachsten
menschlichen Prinzipien das Hecht hatte, geschont zu
werden. Es ist wahr, daß Mackensen in den ersten
Tagen seines Einzuges in dieses Land eine feierliche
Proklamation veröffentlichte, in der er die ganze bür
gerliche Bevölkerung einlud, ruhig in ihr Heim zurück
zukehren und ihre gewöhnliche Arbeit aufzunehmen;
denn — versicherte der berühmte General — der Krieg
würde nicht gegen die friedliche Bevölkerung gerichtet,
sondern gegen die bewaffneten und kämpfenden Trup
pen. Aber das waren nur leere Worte. Die ganze
Besetzungsverwaltung in Serbien ist nichts als ein
fortwährender 1 Krieg gegen die friedliche Bevölkerung.
Es ist übrigens keineswegs eine Besetzungsverwaltung,
sondern eine wahre Strafexpedition seitens Oester
reich-Ungarns, in verstärktem Sinne seitens Bulgariens.
Dieses Wort definiert in der genauesten, vollständigsten
Weise den Charakter der österreichisch-ungarischen
und bulgarischen Herrschaft in iSerbien. Die Gegner
*) Der Aufruf, in der „Freien Zeitung“ aus Raumgründen nur
auszugsweise mitgeteilt, mußte hier leider abermals gekürzt werden.
Inzwischen ist jedoch der vollständige Text, mit einem Vorwort
von Camille Huysmans, auch als Broschüre, Upsala, 1918, und in
der Publikation „Les souffrances d’un peuple“, Librairie Kundig,
Geneve, 1918, erschienen.