Volltext: Zeit-Echo (3(1917), August-September)

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menschliche Gemeinschaft, für die er als Reines Ich handeln, leben und 
auch sein Leben hingeben kann. Diesem Ziele kann der Mensch nur so 
lange zustreben, solange er mit der Korruption, der Lüge, dem Zwange, 
dem Ungeiste unablässig kämpft. In dem Moment, da er eine Handlung 
begeht, die zu diesem Streben im Widerspruche steht, ist die Linie 
gebrochen. Der Mensch, der für eine, für seine Idee kämpft und stirbt, 
ist groß, denn er kämpft und stirbt auf dem Wege zu sich, stirbt im 
Kampfe um sein Reines Ich. Der Mensch, der sich zwingen läßt, zu 
handeln* zu kämpfen, zu sterben für eine Idee, die zu dem Streben nach 
seinem Ich im Widerspruche steht, ist der Ärmste der Armen; denn er 
verliert das Kostbarste, das einzige, das der Mensch in Wahrheit besitzen 
kann: verliert sein Ich, verliert sich, ist nicht mehr, wird von den andern, 
die selbst nicht sind, besessen/ 
In Gedanken las er das Wort »Stellungsbefehl*. ,. . .Wenn ich dieser 
Aufforderung, mich zu stellen — wem stellen? ich habe mich nur mir 
selbst, nur der reinen Idee zu stellen, und einer menschlichen Gemein 
schaft nur dann, wenn sie das Streben der Menschen nach ihrem Ich als 
berechtigt anerkennt und fördert — wenn ich dieser Aufforderung folge, 
werde ich vermutlich, zusammen mit einer Reihe von Menschen, zuerst 
im Kasernenhof aufgestellt, in dem der Grundsatz herrscht: ,Du hast keine 
eigene Meinung zu haben*. Und der Grundsatz: .Macht und Gewalt stehen 
über Geist und Recht*. Ein Unteroffizier, ein Vorgesetzter — nur das 
Reine Ich ist mein Vorgesetzter — ein Unteroffizier, ein Mensch, der sich, 
der sein Selbst aufgegeben hat, also nicht mehr ist, ein Etwas wird im 
Aufträge derer, die ihn besitzen, sagen: ,Das dürft ihr nicht tun; und das 
müßt ihr tun.* Ich werde also gezwungen, irgend etwas zu tun, oder nicht 
zu tun.* Gezwungen! Das heißt: Ich werde schlecht behandelt, eingesperrt, 
oder erschossen, wenn ich mich diesem Zwange nicht füge. Mit andern 
Worten: Ich werde erschossen, wenn ich weiter gehe auf dem Wege, der 
zur Wahrheit, zum Geiste, zu Gott, zum Reinen Ich führt.. . Ich werde 
erschossen, wenn ich mich bemühe, so zu sein, wie ich bin!* 
Der Philosoph rief seine Frau, die im Hintergründe des Zimmers 
reglos am kalten Gasherde saß, vom Dunkel schon halb verschlungen. 
„Weißt du, was Militarismus ist?“ 
Sie wollte antworten: »Wenn uns das Einzige, das Liebste, das wir 
haben, genommen, erschlagen wird.* Und sagte: „Du meinst die Schiffe, 
die Kanonen . .. die Rüstungen.“ Sie konnte nicht weinen. 
„Nein, diese Sachen aus Stahl und Eisen, die dem Volke so viel Geld
	        
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