7
Entwurf
eines Grundgesetzes für das Deutsche Reich
Artikel 1
Das Ave Maria von Badi-Gounod darf zehn Jahre lang weder in privaten und öffent
lichen Gebäuden noch auf Straßen und Plätzen gespielt werden. Zuwiderhandelnde dürfen von
den Zuhörern gelyncht werden.
Artikel 2
Kellner, die sich in die Küche oder andere entlegene Räume zurückziehen, sowie ein
Gast an ihren Tisch tritt, werden mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren bestraft.
Artikel 3
Kritiker, die Hasenclever für einen Dichter halten, werden auf öffentlichem Platze gestäupt.
Artikel 4
Zum Reichstagsabgeordneten, kann nur gewählt werden, wer durch polizeiliches Attest
nachweist, daß er auf keinem Gebiete des menschlichen Wissens, des Handwerks, der Technik
oder der Kunst irgendwelche Fähigkeiten oder Begabungen besitzt.
Artikel 5
Personen männlichen Geschlechts, die in öffentlichen Verkehrswagen (Eisenbahnen, elek
trischen Straßenbahnen, Hoch- und Untergrundbahnen) Damen ihren Platz einräumen, werden
zu Gefängnis nicht unter vier Wochen verurteilt. Strafaufschub kann erfolgen, wenn der Verur
teilte nachweisen kann, daß sich die Dame für die Einräumung des Platzes bedankt hat.
Artikel 6
Schriftsteller, die ohne Genehmigung des Verlags Der Sturm G. m. b. H., Berlin, Pots
damer Straße 134 a das Wort „Rhythmus“ gebrauchen, werden zu lebenslänglicher Todesstrafe
verurteilt.
Artikel 7
Nackttänze sind nur zulässig, wenn die Tänzerin um die Lenden eine Perlenschnur mit
einem feigenblattgroßen Medaillon trägt. Das Medaillon muß an der linken Hüfte deutlich
sichtbar getragen werden. Zuwiderhandlung hat Einziehung der Perlenschnur und des Medaillons
zur Folge.
Artikel 8
Wer Reichs- oder Staatsbeamte in ihren Büros durch Fragen und Beschwerden im
Kaffeetrinken oder Frühstücken stört, wird zu einer Arbeitseinstellung von mindestens drei
Tagen verurteilt.
Artikel 9
Wer in einem öffentlichen Restaurant für die Verabreichung von Schrippen Brotmarken
abgibt, wird entmündigt und unter die Vormundschaft des Ernährungsministeriums gestellt.
Artikel 10
Kunstkritiker, die wissen, was „Expressionismus“ ist, können in den Reichsadelsstand
erhoben werden.
Artikel 11
Angehörige des Deutschen Reiches, die, ohne Filmschauspieler zu sein, einen übermäßigen
Aufwand in der Lebensführung treiben, werden durch Konfiskation ihres Vermögens bestraft.