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DER STEREOGRAPH
oder
Die kinetisdie Automodellierung.
Professor Abnossah Pschorr ist meinen zahllosen <o?> Lesern längst kein Fremder mehr: er hat
ja, wie Sie sich erinnern werden, den »Ferntaster« erfunden, der jetzt im Kriege sicherlich das aus
schlaggebende Moment spielen würde, wenn er bereits eingeführt worden wäre. Die Regierungen
haben unrecht daran getan, die (allerdings sehr erheblichen) Kosten zu scheuen. Da Pschorr leider
neutral ist, läßt er sein Ferngetast feiern. Der Krieg ist vielleicht bloß das Symptom einiger noch
nicht anerkannter Erfindungen.
Deshalb hören Sie zu! Dem Pschorr ist es gelungen, das Getast, also diejenigen Schwingungen,
welche die Empfindung des Getasts erregen, ähnlich wie Licht- und andere Strahlen durch Linsen
zu schicken, die natürlich nicht aus Glas, sondern aus einem eigentümlich elastischen, chemisch sehr
kompliziert zusammengesetzten Material bestehen,dessen Formel zunächstFabrikgeheimnis bleibt/
eine Art gläsernes Gummi.
Während es sich beim Ferntaster darum handelt, das Getast, sozusagen auf Drähten, in die
Ferne zu leiten, bleiben die Gegenstände des Getasts hier an ihrer Stelle,- sie werden durch den
Stereographen an einer bestimmten anderen Stelle in einer plastischen Masse, einer besonders
präparierten Art Ton, lediglich kopiert und zwar eben plastisch, in derjenigen Größe, die von der
Größe der Linse abhängig ist — also analog zur Photographie wird hier geplastikt.
Abnossah Pschorr hatte die Güte, mich in folgende Details einzuweihen. Er wies auf einen Glas
sturz von der Größe eines Familienteekessels: Darin ist die Tastmasse, in der sich die Eindrücke
plastisch widerspiegeln.
Ich sagte: Aber Herr Professor, ich sehe nicht das Geringste. Wie sollten Sie, bester Herr, gab
er zur Antwort und lächelte sein geistreichstes Gerhart-Hauptmann-Lächeln/ (übrigens, da er bald
berühmter werden wird, wird dann G. H. ein Abnossah-Lächeln verzapfen! !>. Wie sollten Sie,
lächelte Pschorr: Die Masse ist unterm Glassturz zwar vorhanden, aber in Gasform. Sie gerinnt
erst durch die Einwirkungen der Taststrahlen, die ich durch die Linse auf das Gas konzentriere,
zu plastischen Gebilden,- es scheint zauberhaft, ist aber ganz natürlich. Das Getast hat, wie das
Gesicht, sein Plus und sein Minus, sein Licht gleichsam und seine Finsternis, seine Dichte und
Dünne, seine Kompaktheit und Dissipation. Und ähnlich wie die photographische Platte, um auch
die zartesten Lichteindrücke aufzunehmen, verfinstert werden muß: ähnlich muß die Tonmasse
gleichsam vernichtet werden, verflüchtigt, um auch für die minimalsten Tastunterschiede sensibel
zu bleiben.
Professor Abnossah Pschorr holte sodann die Linse herbei,- sie war merkwürdig klein, in Kaut
schuk gefaßt, sah aus wie eine zwiebelartigeTaschenuhr, aus sehr glibbriger Gallerte, von trübster
(molkiger) Durchsichtigkeit. Abnossah, in der Hand diese Linse, erkundigte sich, was ich modelliert
zu haben wünschte. Ich fragte, ob ich auf die Stabilität der Gegenstände Rücksicht nehmen solle.
Im Gegenteil! sagte er triumphierend: Je beweglicher, desto interessanter! Damit wies er auf die
Straße, wo gerade Fahnen flatterten, Tiere, Menschen, Wagen aller Gattungen bunt durch einander
wirbelten. Ich staunte, daß dies alles in Miniatur unterm Glassturz plastisch in beweglichster Leben
digkeit zu wiederholen sein sollte.
Abnossah sagte: Denken Sie nach! Materie ist durchaus nichts als lauter Wiederholung. Lauter
Variation desselben Themas, das eben allerdings in seiner eigentlichen Originalität, also im
Schöpfer, im Schaffenden, im Produzenten verborgen bleibt und, sowie es sich auch nur leise äußert,
sofort in diesen allegorischen Variationen ausfällt, nicht wahr?
Ich sagte: Jawohl, Herr Professor!