134
dass er sich zu verlieren begann. „Aber in Berlin ist es zwei
fellos am angenehmsten und auch am billigsten . . . Sagen Sie,
kennen Sie Paris? . . .“
Ja.“
„So, Sie kennen Paris! .. .“ Ein völlig naives Staunen über
rumpelte ihn. Mein Gott, was fällt mir denn nur ein, tobte er,
wie ist denn das nur möglich, o ich Trottel, ich Trottel . . „Ge
fällt Ihnen Paris?“ Das brachte ihn ausser sich. Es überschwemm
te ihn uneindämmbar . . . Seine Finger begannen zu zittern.
„Ja, Paris ist eine schöne Stadt. Allerdings für deutsche
Begriffe schmutzig.“ Scharoll sass unbeweglich da und unnach
sichtig. Er wusste, dass es herauskommen würde. Dennoch
fühlte er die Besorgnis, es könnte anders werden. Um das aber
zu verhindern, sagte er sich ganz langsam innerlich vor, werde
ich anfangen, mehr zu sprechen . . . das reizt, ja. . .
„Soooo . . .? Und die Menschen?“ Wenn jetzt doch irgend
wer an den Tisch käme, flehte Kanulf verzweifelt.
„Ja, die Pariserin ist ein reizvolles Geschöpf. Aber sie ist
wasserscheu und hat häufig Ungeziefer. Ich meine selbstverständ
lich nicht die mondäne Pariserin aus dem Faubourg St. Germain. ..
Was ist denn? ... Ja, obwohl sie nicht so sauber aussieht wie
ein deutsches Stubenmädchen. Ich meine die kleinen Ladenmam
sells, Putzmacherinnen und Modelle, die Midinettes natürlich oben
an. Aber diese Kleinen können sich das leisten. Sie brauchen
nicht zu besorgen, ihren cheri dadurch zu verlieren, selbst wenn
ihm diese Eigenschaften nicht durchaus Zusagen sollten. Denn
die jungen Männer, die aus aller Welt nach Paris kommen und
meist ohne mehr Geld als für die ersten beiden Wochen, stehen
bald vis-ä-vis de rien. Und da in Paris die weibliche Konkur
renz in den kleinen Berufen sehr gross ist und überall siegreich,
müssen sie sich an die Konkurrenz anschliessen u. dieser Anschluss
endet immer mit einer Liebschaft. Aber diese Mädchen setzen
ihren Ehrgeiz darein, dass cheri nicht arbeitet. Sie stellen ihn
höher als sich selbst. Sie sind nur glücklich, wenn sie während
der Arbeit wissen, dass cheri jetzt über einer Erfindung grübelt,
die sie beide mit einem Schlag reich machen wird, oder an einem
grossen Werk schreibt, das ihn und auch sie berühmt machen
wird, oder auch nur, dass er im Cafe Zigaretten raucht und den
Midinettes die Köpfe verdreht. Nirgends wird . . .“
In diesem Augenblick klopfte Kanulf mit dem Finger vier
mal auf die Tischplatte. Dann hob er den Kopf, leckte die Unter
lippe und zog sie durch die Zähne. „Das ist ja doch alles nicht
nötig.“ Seine Stimme war heiser und schwer. „Es war mir na
türlich . . . natürlich schon an jenem Abend klar, dass Germaine
von Ihnen beeinflusst wurde. Ich gab mir auch gar keine Mühe
herauszubekommen, wo und wann sie mit Ihnen zusammen war.