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ihnen bekämpften Leiter ihrer Todesschicksale. Doch selbst die bescheidene
Forderung des Klassenkampfes ist eine sehen historische Forderung, und
sie ernsthaft zu stellen und laut auszusprechen war nur möglich in einer Zeit
von verhältnismäßig großer Freiheit. Das alles geht heute nicht mehr, das
alles hilft heute nicht mehr, das alles gilt heute nicht mehr. Wie billig, bequem
und roh, wie unverantwortlich und menschenunwürdig: alle unsere Er
wartungen, Hoffnungen, unsere drängendsten Aufgaben abzuschieben auf
das organisierte Proletariat! Wie aussichtslos verrucht der feige Wunsch:
den organisierten Arbeiter einzuspannen als todgeweihtes Tier in den Beutezug
unserer Änderungslust — und dann tatenlos von ferne zuschauen, wie der
Verhungerte noch im Maschinengewehrtode für uns siegt! Aber das wird
nicht sein.
Wir müssen höher und viel tiefer steigen. Die nächste lebendige For
mel über den Erdball hin, die den Menschen wieder in die Mitte des
Lebens fordert, heißt heute: Sklavenaufstand.
Schon heute, noch mitten im Krieg, finden wir es merkwürdig, und
nach dem Staub der subalternen Registraturen schmeckend, daß man frü
her jene Bewegungen, die auf eine höhere Ordnung der Erde hinzielen —
Ziele, die heute jedem Spießbürger sehnsüchtig klar scheinen — mit un
positiven Schreckbezeichnungen benannte. Der französische Gewerkschafter
Lagardelle hat (mit Parteinahme für die Gewerkschaft) die Ziele zweier
gesellschaftskritischen Bewegungen gegenübergestellt, das des klassen
kämpfenden Syndikalismus auf der einen Seite, und ihm gegenüber das
der unbedingten Freiheitsforderung. Nach seiner klaren Formulierung gilt
für den Syndikalismus: «Die soziale Frage ist eine Arbeiterfrage. Der Feind
ist der Angehörige der andern Klasse. Das Ziel wird durch Entwicklung
des Klassenbewußtseins erreicht. Der Ausgangspunkt ist das Interesse der
Gesamtheit.» Dagegen gilt für die Freiheitsbewegung: «Die soziale Frage ist
eine Menschheitsfrage. Der Feind ist der befehlszwingende (autoritäre)
Mensch, zu welcher Klasse er auch gehört. Das Ziel wird durch Entfaltung
des Menschheitsbewußstseins erreicht. Der Ausgangspunkt ist das Einzel
interesse. » — Man sieht bei beiden Richtungen ihre menschheitlichen
Qualitäten und ihre staubigen Einseitigkeiten. Heute geht uns die Diskus
sionsnervosität vergangener Denkschlachten nichts mehr an. Wir haben zu
Fürchterliches durchgemacht und mit angesehen auf dieser Welt, als daß
uns der Satz «Ausgangspunkt ist das Einzelinteresse» nicht heute kindlich
blödsinnig erschiene. Wir haben zu große Hoffnungen für die Zukunft, als
daß wir nicht das Wort: «Ausgangspunkt ist das Interesse der Gesamtheit»