73
und spraA. Sein Mund zeiAnete den letzten Satz in meterhohen Buch«
staben an den Himmel: »Es ist schon die Axt an die Wurzel gelegt.
Darum, welcher Baum nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und
ins Feuer geworfen.«
Eine junge Frau stand da und tat nichts als lächeln und »Friede«
sagen. Reisende, die vom Bahnhof kamen, vergaßen alles und schlossen
sich an, als die Menge weiterzog. Flammend. Schnell. Entzündet vom
Glauben. Eine Schar Urlauber, feldmarschmäßig ausgerüstet, das
Gewehr quer über dem Rücken und das Grauen des Schlachtfeldes in
den Augen, schloß sich an. Alte Mütterchen kamen kaum mit. Kinder
bekamen schmale Gesichter vor Staunen und ahnten das Große. Ein
alter Polizeiwachtmeister mit grauem Spitzbart, das Trauerband am
rechten Arm, bekam fanatische Augen und schloß sich an. Menschen,
die dem Zug entgegenkamen, machten kehrt, vom Feuer ergriffen.
Radfahrer sausten durch die Straßen. »Die wollen Friede machen!«
Die Wirtshäuser entleerten sich. Werkstätten, Baustellen entleerten
sich. Transmissionen standen still. Eine Abteilung Soldaten unter
Gewehr wurde mitgerissen. Gesänge der Liebe ertönten im Marsch»
tempo. Kranke stiegen aus den Betten, schleppten sich ans Fenster.
Kilometerlange Linien von Frauen, schräg bewegt, trieben aufeinander
zu, stießen zum Zuge.
Ein Zwanzigjähriger — Fanatismus und Geist auf der Stirn —
sprang aus einer menschengefüllten Seitengasse heraus, auf den Kellner
zu, küßte ihn. Und sein heißer Blick öffnete die Herzen. Die ganze
Stadt war aufgestanden und schrie ein Wort. Friede. Das so ge»
sproAene Wort wurde zu vieltausendstimmigem gewaltigem Gesänge.
Alle KirAengloAen läuteten.