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UNGARN.
Zar nachimpressionistischen Malerei in
Ungarn. Von Ernst Källai.
Vor zehn Jahren konnte man in Budapest die Aus*
Stellung einer Künstlergruppe sehen, die sich »Nyol*
cak« <die Acht) nannte und »an Stelle von ober*
fiächlichen Eindrücken das Wesen der Natur« geben
wollte. Ihre Abkehr vom Impressionismus war nicht
besonders glücklich. Das Werk der Acht beruhte auf
einem Mißverstehen moderner Franzosen. Vor allem
wurden aus Cezanne ganz ungeheuerliche Dinge
herausgefolgert. Man sprach von einer synthetischen
Kunst und verlegte sich aufs Komponieren. Und
zwar, da man das Wesen der Natur gestalten wollte,
mußte die künstlerische Wahrheits* und Einheits*
forderung jenseits von empirischen Wirklichkeits*
Übereinstimmungen durch eine in sich abgeschlossene
Bildmäßigkeit erfüllt werden. Die Natur war kein
Ende mehr, keine Form, nur Stoff, der seine Ge*
staltung.vom Künstler erhalten sollte. — Dies wäre
ja dem Prinzip nach alles sehr schön gewesen. Aber
man mißbrauchte die Freiheit des Komponierens zu
einer ziemlich öden Art von malerischen Kontra*
punktsübungen. Die Gestaltung war im besten Falle
ein bloß deutendes Stilisieren. Das künstlerische
Naturerlebnis drang noch nicht bis zur vollständigen
Sich*selbst*Durchsetzung des Menschen, die Form
noch nicht bis zur ausdrucksvollen Verinnerlichung
ihrer selbst vor.
Dieser letzte Schritt blieb einer jüngeren Generation
Vorbehalten. Die jungungarische Malerei ist schon
Ausdruckskunst. — Aber kein Expressionismus im
Sinne der modernen Deutschen.
Auch bei den Ungarn herrscht der Wille zur un*
mittelbaren Selbstäußerung des Künstlermenschen*
bewußtseins. Aber Form und Inhalt dieses Bewußt*
seins haben hier eine ganz bestimmte psychologische
Eigenart. Sie sind, von den vielfach reflektiven und
transcendental angeregten Bestimmungen des deut*
sehen Expressionismus abweichend, voluntaristisch,
durchwegs auf das vollsäftige und weitausholende
Beherrschen des physischen und irdischen Daseins
gestellt und zeigen demnach eine gewisse, tempera*
mentvolle geschmeidige oder stählerne Massivität.
Dieses herrisch*selbstbewußte, um jede religiöse und
ethische Problematik unbekümmerte, kräftig vegetative
und männliche Lebensgefühl mag philosophischen und
mystischen Unendlichkeiten gegenüber eine ideolo*
gische Enge bedeuten — ein wesentlicher Vorteil und
Wert ist ihm gewiß. Die Form, die als künstlerische
Gestaltung dieses Lebensgefühls entsteht, ist viel
weniger der Gefahr einer spekulativen Kompliziert*
heit, viel weniger den verhängnisvollen Möglichkeiten
subjektivistischer Zerrissenheit oder Auflösung,Ver*
dünnung und Vieldeutigkeit ausgesetzt, als eine ner*
venextatische Kunst der transzendentalenVersenkung.
Die moderne ungarische Malerei ist psychologisch
ausdrucksvoll, wie ein leidenschaftliches Bekenntnis,
ohne ihre expressive Bedeutung durch einen Verlust
an positiver, geschlossener Plastizität und machtvoll
lebendiger Bewegungskraft erkaufen zu müssen.
Aus dem positiven, erdgesättigten Voluntarismus
der modernen ungarischen Malerei folgen notwen*
digerweise ihre wesentlichen, formalen Bestimmungen,
so das Streben nach restlos durchgeführter Konstruk*
tion, die trotzdem nicht erdacht, sondern triebhaft er*
lebt, daher einfach, klar und überzeugend ist. Die
Gestaltung erfolgt entweder aus einem mächtigen
Gefühl des Mehrdimensionalen oder bleibt in der
Fläche. In beiden Fällen aber ist ihr Verhältnis zur
räumlichen Tiefe nicht romantisch oder mystisch un*
bestimmt,- der Raum hat immer in jeder Richtung eine
feste und klare Begrenzung. Die Modellierung wirkt
geschlossen und plastisch, das Lineare herrscht vor,
jedoch nicht als vorgefaßtes, abstraktes Skelett unter
einer draperiehaften Flächenumhüllung. Die primäre
Entladung des psychologischen Ausdrucksbedürf*
nisses und des künstlerischen Formgedankens geschieht
auch bei den Ungarn in Flächen, die beharrend oder
bewegungsvoll, in sich gesammelt oder höchst ex*
pansiv erlebt, mit ihrem Wachstum sich gegenseitig
ergänzend erweitern oder bekämpfend zusammen*
schweissen und die künstlerische Vision zur technisch*
räumlichen Erfüllung transponieren. Doch mag die
Ausdrucksbewegung der Flächen noch so ungehemmt
sein, der herrschende Trieb zum positiv Körperlichen
ist stark genug im Erfassen und Erbauen der Form
von allen Seiten her, um einem Zerflackern oder Zer*
reissen derselben vorzubeugen. Ihre Bewegungs*
tendenzen sind physisch machtvoll auch in der Ruhe
und ihr Rythmus hat auch in der größten psycho*
logischen Flüssigkeit noch immer eine feste Prägung.
Die Farbe bleibt zurückhaltend, ist jedoch pulsierend
und warm im Ton, oft bis zur sinnlichen Glut ge*
waltsam beherrschter Leidenschaften.
Eine besondere, stark persönlich differenzierte Prä*
gung dieser Wesenheit moderner ungarischer Malerei