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„Aufzupassen,“ sagte Traute. „Sie nehmen Geld
aus der Kasse.“
„Was tu’ ich, Lumpenmensch?“ knirschte Jenny
und packte Traute trotz Publikum und Konzert über den
Tisch beim Kragen. 1
„Lassen Sie mich los!“ rief Traute. „Ich habe
den Auftrag, aufzupassen. Ich habe gesehen, wie Sie
dem Pianisten Geld zusteckten. Ich kann aber jetzt
auch gehen, wenn Sie wollen. Ich habe keine Lust,
mich von Ihnen misshandeln zu lassen. Sie werden
das weitere sehen. Sie sind abgesetzt. Sie machen
für uns die Kassiererin solange, bis wir uns eine an
dere nehmen.“
„Max!“ rief Jenny und fegte hinter die Bühne,
„Max!“ ganz hysterisch. Das war ihr zuviel!
Man wurde aufmerksam, reckte die Hälse. Traute
zuckte die Achseln, mitleidig, und schnickte mit dem
Kopfe.
Da spürte Jenny eine Hand auf ihrer Schulter und
drehte sich um. Der Freund aus Baden stand hinter
ihr.
Auch er war gekommen, soeben, hatte den Steifen
noch auf dem Kopf, den Regenschirm hängend am Arm.
Schnurrbart kurz aufgekräuselt, Paletot zugeknöpft,
Teilhaber der Firma Seidel & Sohn, Wäsche engros.
„Na, was gibt es denn, Jenny?“ fragte er ruhig,
begütigend.
„Ah, guten Abend!“ fasste sie sich, „nichts weiter.“
„Setz’ dich doch her!“ sprach er ihr zu, hing
Paletot, Hut und Schirm an den Haken, und setzte
sich, seinen Smoking glättend, zum Künstlertisch.
„Nichts, nichts!“ versicherte Jenny.