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Rasenbank in Sibirien den Raben zum Frass überlassen
dalag und nach ihr rief: ,Lydia, hierher, zu mir!*
dann brach ihr das Herz. Herunter hing ihr der Unter
kiefer, herunter hingen ihr die Augenlider, die Arme.
Ein kleiner Tropfen bildete sich an der spitzen Nase.
Ausbradi sie in lautes Heulen und war untröstlich.
Umsonst versicherte man ihr, er sei gewiss noch
in der Kaserne, und wer weiss, ob er jemals, wenn
er doch nur seine Eckzähne habe und nicht gut beis-
sen könne, hinauskomme in den Schützengraben.
Kein vernünftiges Wort verfing. Kein Scherzwort
genügte ihr. Sie hatte genug von der Welt. Dem
Hauptmann wollte sie schreiben, hinreisen zu ihm,
sich niederwerfen vor ihm, sich ihm anbieten zu jeder
Schmach, wenn er ihr nur ihren Emil wiedergebe.
Eine Deklassierung der Zirkusartisten fand statt,
eine Nivellierung innerhalb des Ensembles.
Ja die Apachenpartei, die unter empfindsamen Re
gungen weniger litt, gewann langsam wieder die 1 Ober
hand.
Monsieur Henry, der Ausbrecherkönig, beherrschte
jetzt völlig die Rolle der Zeugin Emilie Schmidt. Und
Herr Piener, der Schlangenmensch, unter dem über
ragenden Druck der Begabung Leporellos nicht länger
leidend, arbeitete sich unter täglichen Trainagen und
Fräulein Lauras geneigter Assistenz langsam wieder
in den Vordergrund.
Einen wirklichen Knacks aber erlitt die moralische
Situation des Ensembles, als man dahinterkam, Fla-
metti habe einen Prozess, und als man erfuhr, um
was für einen Prozess es sich handelte.
„Kinder!“ rief Raffaela, und ein Licht ging ihr auf,