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Die Kulisse.
eigene Fleisch schneiden müßten, würde wohl weniger produ
ziert werden. Andererseits würden sie den ursprünglichen Sinn
der Publikation als eine Form der Selbstentblößung weniger um
gehen können. Auch würden manche Lyriker — ich will keine
Namen nennen — durch Vorzeigen ihrer Menschlichkeiten völlig
entlarvt dastehen. Item: man sollte darauf achten, ob Bücher
geklext oder tätowiert sind. Und ob die Schönheit an den Kleidern
hängt oder im Fleische brennt.
*
Dann habe ich die dicke Negerin, Miß Ranovalla de Singapore
besucht. Ihre Arme sind wie Brotlaiber. Sie sitzt am Ofen einer
Basler Wirtsstube und friert. Einen blauen Hänger trägt sie auf
der schwarzen Haut und ein rotgesäumtes Mäntelchen über den
Schultern. Traurig und mit schwarzflaumigem Gesicht einer auf
geputzten melancholischen Äffin sitzt sie da. Europa ist vor ihr
gescheitert.
Ihr Impresario, ein Casti Piani mit harten lachenden Zähnen
bietet mir eine Zigarette an, die ich dankend nehme. Miß Rano
valla reiste früher mit einem Bajuwaren als Duett. Dies Völker
gemisch zu erleben, ist mir versagt geblieben. Aber sie trauert
ihm sichtlich nach. Man stelle sich eine verlassene Schweizer Saal
tochter von solchen Proportionen unter den Kongonegern vor!
Das Leben ist doch mitunter recht weitläufig.
*
XL Baudelaires „Raketen“ sind ein treuer Begleiter. Ich will sie
mir einverleiben.
Seine Studienfächer auf der Ecole des Chartes: französische
Geschichte und Kirchenlatein.
Tertullian und Augustin sind seine Lektüre.
Von den satanistischen Theorien Gregory Lewis’ und Maturins
begeistert.