Volltext: Der Ararat : Glossen, Skizzen und Notizen zur Neuen Kunst (1(1920),11/12)

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kräftig unterstützt. Das, was hier geschaffen wird und weithin hauptsächlich durch die Meß= 
ausstellungen bekannt geworden ist, ist zwar teilweise noch aus Berlin und Wien etwas plötzlich 
verpflanzte Kunst, von der man aber wohl annehmen darf, daß sie allmählich feste Wurzeln 
schlägt und dann auch vielleicht nicht nur Edelarbeiten für begrenzte hochkultivierte Kreise, sondern 
auch Schlichteres für die künstlerischen Bedürfnisse breiterer Schichten schaffen werde. 
Die einheimische Künstlerschaft, angeregt durch die an der Kunstgewerbeschule tätigen Kräfte 
oder in direkter Verbindung mit Berlin <Novembergruppe> ist erfreulich radikal gesinnt und ver^ 
arbeitet die durch den hauptstädtischen Expressionismus gegebenen Anregungen mit ehrlich- 
faustischem Bemühen,- eine ganz originale Persönlichkeit ist da wohl nur Karl Völker, neben dem 
allenfalls noch Werner Lude genannt zu werden verdient. 
Was das städtische Museum an Anregungen bieten kann, ist einstweilen noch wenig, gehemmt 
durch Mangel an Raum und Mitteln. Auch das Ausstellungswesen in den Händen des Kunst 
vereins kann nicht recht gedeihen, weil seine Räume zu dürftig und abseitig sind. Aber der gute 
Wille, der alle in diesen Fragen Maßgebenden, nicht zuletzt auch die Stadtverwaltung beherrscht, 
wird hier weiter helfen. Das Vortragswesen, einst unter Wilhelm Wantzold in Blüte, ist dabei, 
einen neuen Aufschwung zu nehmen, nachdem dafür in der alten Moritzburg ein Raum von ganz 
eigenartiger Stimmung geschaffen ist. 
Daß gute neue Kunst so wenig gekauft wird — als eigentliche Sammler kann man wohl nur 
die Herren Felix Weise und Hermann Krause bezeichnen — liegt erstens daran, daß die Aus= 
Stellungen des Kunstvereins, die gewiß viel Gelegenheit dazu bieten, ein so kümmerliches Dasein 
fristen. Ferner aber daran, daß es hier keine ernst zu nehmende Kunsthandlung gibt, nicht 
einmal einen Buchladen, der wenigstens nebenbei moderne Graphik pflegte. Ein derartiges 
Unternehmen ins Leben zu rufen, wäre der neuen Kunst dienlicher vielleicht, als alles andere, 
was hier für die Pflege neuer Kunst sonst noch geschieht. Dr. Burkhard Meier, 
LEIPZIG 
Es ist eine Eigentümlichkeit aller Auslassungen über Leipzig, soweit sie aus intimerer Kenntnis 
ungeschminkt herausgesagt werden, daß am Geiste dieser Stadt kein gutes Haar bleibt. Man 
braucht nicht erst die Hefte eines scharf kritischen Lokalblattes in die Hand zu nehmen, um diese 
Erfahrung zu machen, — das leiseste Antippen bei jedem geistig regsamen Einwohner dieser 
Stadt öffnet einem Katarakt von Anklagen den Weg, die man dem »bloßen Händlergeist«, dem 
»absoluten Materialismus«, einem »bornierten Konservatismus«, der »geistigen Apathie« usw. 
entgegenschleudert. Solche Auslassungen haben nur zu sehr recht. Die Nonchalance, mit welcher 
hier das Publikum aller ideellen, d. h. nicht sofort und zugleich in kaufmännischen Nutzen um= 
rechenbaren Bestrebungen entgegenbringt, ist überwältigend. Und dieser ungünstige Eindruck 
verstärkt sich noch durch die Beobachtung, daß sich diese Gleichgültigkeit gegen alles eigentlich 
Geistige nicht auf die übergroße Anerkennung einer ruhmvollen Tradition stützt, sondern eben 
nur Widerspruch gegen alle nicht-merkantile Betätigung ist. Der angebliche Klingerkultus hat ja 
nur theoretische Bedeutung, —' auch sein Ringen (Ringen!) bleibt letztlich unbegriffen. (Er war 
sehr vermögend, — dies imponiert!) — Die Stellungnahme des großen Publikums ist dem ent*= 
sprechend ablehnend, sobald man ihm die neue Kunst vorführt,- es spürt in der lebendigen und 
(nun ja) manchmal gewaltsamen Aktivität dieser Künstler den stetigen Widerspruch gegen alle 
Nur^Nützlichkeit der Betätigung. 
Besonders schroff äußert sich diese Feindseligkeit im Publikum des »Kunstvereins«, — eines 
Vereins, dessen Ausstellungen in großen Räumen des Museums der bildenden Künste so recht 
repräsentativ sind für den Geschmack der hiesigen höheren Klassen. Es genügt wohl zur Illu= 
strierung der Verhältnisse, die hier obwalten, wenn ich feststelle, daß in den letzten sechs Jahren
	        
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