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das Abstreichen der Pinsel, um überflüssig gewordene
Farben aus ihnen loszuwerden. Und so etwas wird als
ein Teil vom Lebenswerke eines Künstlers ausgestellt?
Dann kommen andere Sachen, bei denen nur mit An»
strengung zu erkennen ist, was sie bedeuten sollen. Als
»Stilleben« sind einige bezeichnet, so das »mit schwarzem
Tuch« und das »mit Italiener«, andere als »Landschaften«,
so »An der Ostsee«. Sie sind unglaublich. Erkennbar sind
u. a. die Landschaften »Abend«, »Sommertag«, »Harmonie
in Grün aus Prerow«, aber so kindlich naiv, daß gewiß
außer mir noch viele andere darin »Kunst« schwerlich be»
merken werden. So geht es auch mit den erkennbaren
Stilleben. Und nun die Figuren und Köpfe. Es wird viel
darüber geredet, daß jeder Künstler seine eigene Auf»
fassung haben und zum Ausdruck bringen dürfe, daß er
seine Bilder aus »innerem Erlebnis« zu gestalten habe.
Schön und gut. Aber beim Betrachten dieser Galerie von
— Seltsamkeiten, dieser grünen, blauen, gelben Gesichter
mit schwarzen Lippen, mit tiefweinroten Farbenklecksen
auf den Backen, mit dunkeln Löchern als Umrahmung der
Augen, deren schwarze Iris ganz merkwürdig oben und
unten über die Augenlider hinausragt, dieser grünen Akte
und Halbakte drängt sich doch die Frage auf, ob solche
Darstellungen der »inneren Anschauung« irgendeines
Menschen entsprechen können. Nur einige wenige Porträt»
Studien haben Menschenähnlichkeit aufzuweisen. — Goethe,
der doch wohl etwas von der Malerei verstanden hat, äußerte
sich einmal so: »Es geht durch die ganze Kunst eine Filiation.
Sieht man einen großen Meister, so findet man immer, daß
er das Gute seiner Vorgänger benutzte, und daß eben dieses
ihn groß machte, Männer wie Raphael wachsen nicht aus
dem Boden. Sie fußten auf der Antiken und dem Besten,
was vor ihnen gemacht worden. Hätten sie die Avantagen
ihrer Zeit nicht benutzt, so würde wenig von ihnen zu
sagen sein.« — Es war eine Wohltat nach der pflicht»
gemäßen Musterung dieser Entsetzlichkeiten bei der kleinen
Zusammenstellung von Bildern aus dem Besitze des Herrn
Dr. Catzenstein im unteren Stocke wieder zu Atem zu
kommen.
Die »München»Augsburger Abendzeitung« über
Kandinsky ,.,
K a n d i n s k y, der »B1 a u e R e i t e r«, der früher in
München gewesene russische Maler, der die frechen Ver»
rücktheiten der modernen »Malerei« in dem allzeit für Der»
artiges eingenommenen Isar»Athen einführen half, ist jetzt
Vorsteher einer Sektion im Sowjetkommissariat für Volks»
bildung der Museumsleitung in Moskau. Da hat ihn Wil»
heim Herzog, wie er in seinem russischen Tagebuch im
»Forum« erzählt, besucht. Er klagte sehr über die Not
des Lebens.
Ein Begeisterter schreibt im »Buchhändler Börsen»
blatt« ...
Die Münchener Kunstausstellung 1920 im Glaspalast
wird bald ihre Tore schließen. Kann die Frequenz eine
mäßige genannt werden, die Darbietung war reich und
beglüdcend. Es hat ja doch wohl noch gute Wege mit dem
Verlöschen Münchens am Sternenhimmel der Kunst! Heil
dir, du Stadt der Musen, und Heil euch, ihren Jüngern!
Seid gegrüßt ob eurer Kraft,- sie ist uns Beispiel, und solches
vermag viel, oft alles.
Fritz vonOstiniin den »Münchner Neuesten Nach»
richten« vom 5. Oktober 1920 über George Grosz ge»
legentlich der Herbst»Ausstellung der Galerie Goltz:
ein anderer schreibt schön kalligraphische große
Ziffern in seine Zeichnungen und bringt es nebenbei fertig,
die Kriegskrüppel zu verhöhnen, die dumm genug waren,
ihre geraden Glieder freudig zu opfern, um das Vaterland
vor dem tiefsten Elend zu retten. Jede Manier wird nach»
geahmt, die die Natur vergewaltigt ... <s. Abb. S. 171).
Bücher/ Kataloge.
Hugo Kehrer: Die Kunst des Greco. Mit
71 Tafeln. Dritte vermehrte Auflage, Hugo
Schmidt, München 1920.
Als Meier Graefe 1908 seine Reise durch Spanien
machte, genoß er das Glück, als erster Deutscher Greco
ästhetisch zu entdecken. Zwar hatte Karl Justi schon einige
Jahre früher — in seinem »Velasquez« und dann in einer
Aufsatzserie der »Bildenden Künste« über Greco ge»
schrieben — aber als einer, den Greco nur als der größte
Sonderling in den Annalen der neueren Malerei inter»
essierte. Für Bode war dieser »Manierist« vollends ein
Museumsschreck. Schützend stand der Gewaltige vor
seinen Sammlungen, um jeden »Greco« von der Schwelle
zu weisen, und sein Machtwort bewirkte, daß Amerika
seinerzeit davon abließ, zwei herrliche Werke des Tole»
daners von Goupil in Paris zu erwerben.
Im 19. Jahrhundert war Greco in Vergessenheit ge»
raten. Cezanne freilich hat ihn bewundert und in seine
Sprache übertragen. Aber der erste offizielle Schritt zur
Ehrenrettung geschah erst 1902 durch die Madrider Aus»
Stellung. Auf den spanischen Kunstgelehrten Cossio
gehen die Pionierarbeiten der Grecoforschung zurück.
Eine feine Witterung führte Pariser Künstler und Kunst»
händler dem Meister zu. 1908 wurde ein Saal des
Herbstsalons mit Werken Grecos gefüllt, allerdings mit
schlecht gewählten. Das Verdienst, die öffentliche Meinung
Deutschlands zu Greco bekehrt zu haben, gebührt Meier
Graefe. 1912 erschien dann das faszinierende Buch Barres.
Aber die kunstwissenschaftliche Aufhellung des Problems
»Greco« haben zwei Münchener Kunstforscher in Angriff
genommen,- A. L. Mayer und Hugo Kehrer. Von Kehrers
Greco »Werk ist soeben die dritte Auflage erschienen —
reich an Bildern, vollkommen in buchtechnischer Hinsicht.