Volltext: Gesellschaft, Künstler und Kommunismus

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dividuellen Snobismus, abzutöten, der heute im Künstler nur zu tief 
wurzelt; auch in dem, der geistig und willentlich längst darüber 
hinaus ist. 
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Ein Widerspruch wird hier — sogar von Genossen — gerne 
geltend gemacht: Kunst sei keine Propaganda. Wahre Künstler 
schaft sei zuinnerst unparteiisch und wahrhaftig, den Gesetzen von 
Ziel und Zweck, jeder Absicht und Tendenz feindlich, dem Alltag 
entrückt, zeitlos und souverän. Diese Anschauung läuft in ihrer 
Konsequenz darauf hinaus, im Künstler einen Gott zu sehen: tat 
sächlich spielt er heute dieselbe überflüssige lächerliche und trotz 
dem offiziell anerkannte und verehrte Rolle wie jener erhabene 
Mann in den Wolken. 
Der kommunistische Künstler aber ist kein überlegenes Lebe 
wesen, er ist eine unter tausend Kräften, und gewiß nicht die wich 
tigste, die den Bau der Menschheit, der Internationale, in Angriff 
genommen haben — wissend, daß sie die Vollendung; nicht erleben 
werden, — berufen, in den Brüdern das Bild der Vollendung zu 
wecken, es zu gestalten, und sei es nur dadurch, daß die Unvoll 
kommenheit dieser Welt bis ins Letzte aufgezeigt und angefochten 
wird. Dies war die innere Tendenz wahrer Kunst seit je, dies war 
ihr Inhalt und Wert seit je, darum wird diese eigentlich nutzlose 
Erscheinung nie überflüssig. Nur wurde diese treibende Kraft in 
der Kunst: Kampf gegen die unvollkommene, Streben nach einer 
noch unwirklichen, menschenwürdigen Welt, — den wenigsten be 
wußt und blieb daher fast nebensächlich in Anbetracht des Um 
standes, daß diese Kraft immer und immer wieder dazu miß 
braucht wurde, eine schlechte Sache, ein menschenfeindliches Tun 
als gut, wahr und ideal auszugeben (Kirche, Krieg, Reichtum usw.). 
Der Künstler ist ja, wie kein anderer Mensch, leicht zu berauschen 
und zu betrügen. So kommt es, daß er, von Generation zu Gene 
ration mißtrauischer geworden, dazu neigt, Tendenz an sich als 
schädlich, Propaganda an sich als verlogen einzuschätzen. Das ist 
ein geistiger Degenerationsprozeß, der letztlich auf Selbstmord 
hinausläuft. Er hat sich auch auf die vielen kunstliebenden Typen der 
Bourgeoisie und auf manchen nachdenklichen bürgerlich infizierten 
Proletarier übertragen. Darum können gar nicht genug Hebel an 
gesetzt werden, die bleierne Skepsis und Müdigkeit (kennzeichnend 
die Boheme, welche als Gegengewicht vollendete Indifferenz und 
harmlos-anarchistische Prinzipienlosigkeit anstrebt) aus dem Herzen 
derer zu entfernen, für die die Kunst autoritative Bedeutung hat. 
Das sind viele, mehr als man vielleicht gemeinhin glaubt, viel mehr 
als die, welche sich dessen bewußt sind.
	        
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