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Erst war sie mit dem Zitherkasten gegangen, all
abendlieh. Dann hatte sie das Violinspielen gelernt.
Bleichsüchtig und hager, von einer rührenden Gott
seligkeit war sie. Sie säen nicht, sie ernten nicht,
und doch ernähret sie der Herr.
Manch einer hatte sie mitgenommen aus Mitleid
und ihr ein warmes Nachtlager gegeben, wenn sie noch
spät hach der Polizeistunde auf der Strasse irrte.
Engbrüstig und schmal war sie von Gestalt, ein
Lehrerinnentyp.
Einen Kneifer trug sie und strich mit dem Fiedel
bogen so ausdruckslos freundlich und doch akkurat
und energisch ihr Instrument, dass man ihr wirklich
nicht böse sein konnte.
„Soll ich mal was spielen?“ fragte sie harmlos.
„Ja, fiedel mal los!“ sagte Raffaela.
Aber die Geigen-Marie genierte sich.
„Draussen in der Küche,“ sagte sie forsch.
Und sie ging hinaus in die Küche, öffnete den
Schalter, damit man auch drinnen etwas hören könne,
und dann spielte sie los. ,Stille Nacht, heilige Nacht*,
oder ,Behüt’ dich Gott, es wär’ so schön gewesen*,
oder ,Die Rasenbank am Elterngrab*.
Kam dann wieder herein und lächelte jeden einzeln
der Reihe hach an, als wolle sie fragen:
„Na, wie war’s? Schön, nicht wahr?**
Aber Lydia meinte:
„Komm’ mal her! Was hast du denn da für ein
Fähnchen?** und zog ihr ein kleines Metallfähnchen
aus dem Brustlatz.
Lydia war neugierig wie ein Tier; beschnupperte
sie, federte sie ab.